Steueraffäre vor dem Bonner Landgericht Angeklagte im „Cum-Ex“-Prozess betonen Verbindung zur Deutschen Bank

Bonn · Es geht um Milliarden, die dem deutschen Fiskus durch dubiose Aktiengeschäfte über Jahre entzogen wurden. Vor dem Bonner Landgericht werden die Deals der Finanzbranche aufgearbeitet. Die Angeklagten, zwei britische Banker, liefern weitere Details.

 Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt (Archivbild)

Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt (Archivbild)

Foto: dpa/Arne Dedert

Die Deutsche Bank ist nach Darstellung von zwei früheren Aktienhändlern eng eingebunden gewesen in hoch umstrittene „Cum-Ex“-Geschäfte zu Lasten der Staatskasse. Entsprechende Transaktionen der Ballance-Gruppe, einer externen Finanzberatung mit Sitz in Gibraltar, seien von der Deutschen Bank London genehmigt worden, sagte ein 38-jähriger Brite am Donnerstag vor dem Landgericht Bonn. Dort muss er sich zusammen mit einem Ex-Kollegen seit Anfang September wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung durch „Cum-Ex“-Geschäfte verantworten. Der 41 Jahre alte Kollege bestätigte vor Gericht die enge Geschäftsbeziehung zum Frankfurter Geldhaus.

Die beiden Beschuldigten wechselten 2008 beziehungsweise 2009 vom Londoner Büro der Hypovereinsbank zu Ballance, wo wiederum Ex-Mitarbeiter der Deutschen Bank London tätig waren. Es habe „eine sehr enge Verflechtung“ gegeben, und zwei Einheiten von Ballance seien praktisch eine „Außenstelle“ der Deutschen Bank gewesen, sagte der 38 Jahre alte Nick D. Die Frage des Richters, ob das Geldhaus feste Gewinnbeteiligungen bekommen habe, bejahte er. Er schränkte aber ein, dass er hierzu nie ein Dokument gesehen habe.

Bei der Deutschen Bank hieß es auf Anfrage, eigene „Cum-Ex“-Geschäfte habe das Institut nicht getätigt. „Wir haben in der Vergangenheit jedoch schon immer gesagt, dass die Deutsche Bank in Cum-Ex-Geschäfte von Kunden eingebunden war“, teilte ein Sprecher mit. Dies habe auch Bankdienstleistungen wie etwa die Finanzierung von Wertpapiertransaktionen beinhaltet: „Diese Finanzierungen sieht die Deutsche Bank heute auch sehr kritisch und kooperiert mit den Untersuchungen der Ermittlungsbehörden hierzu.“

Zu der angeblichen Vereinbarung zur Gewinnbeteiligung erklärte das Institut, die Bank habe eine umfangreiche Untersuchung vorgenommen unter Einbindung einer externen Anwaltskanzlei: „Eine derartige Vereinbarung ist der Deutschen Bank auch danach nicht bekannt.“

Die Finanzberatung Ballance spielt im „Cum-Ex“-Skandal eine zentrale Rolle, sie wurde 2008 gegründet und nach einer Abspaltung und Umfirmierung 2018 liquidiert. Ihre Firmensitze waren in Gibraltar, auf den Cayman-Inseln und in London. In dem weit verzweigten Konzerngeflecht gab es die zwei Tochterfirmen mit den Kürzeln BOHL und BOML - sie waren ein Nebenarm, der für konkrete Handelsaktivitäten zuständig war, im Gegensatz zu anderen Konzernteilen, wo Beratung erfolgte und die Struktur für die verschachtelten Geschäfte entworfen wurde. BOHL und BOML standen nach Darstellung der Angeklagten im engen Kontakt zur Deutschen Bank.

Nach Aussage des zweiten Angeklagten, Martin S., flossen bis zu 50 Prozent des Gewinns von BOHL und BOML an die Deutsche Bank. Allerdings musste auch er - damals einer von vier Geschäftsführern von Ballance - einräumen, nur eingeschränkten Einblick gehabt zu haben, da ein anderer Kollege zentral zuständig gewesen sei.

Richter Roland Zickler sagte zur möglichen Rolle der Deutschen Bank: Die Auslagerung des Geschäfts sehe fast so aus, als ob die Bank vom „Cum-Ex“-Kuchen“ etwas wollte, zugleich aber weiter sagen wollte, „Wir machen kein "Cum-Ex"“.

Den beiden Angeklagten werden 33 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung und ein Versuch im Zeitraum 2006 bis 2011 vorgeworfen. In den „Cum-Ex“-Geschäften, in denen in mehreren Schritten verschiedene Investoren, Banken und andere Finanzakteure beteiligt waren, wurden mehrfach Steuern erstattet. Allein dadurch entstand dem deutschen Staat laut Anklageschrift ein Schaden von 447 Millionen Euro. (Az: 62 KLs 1/19). Der Gesamtschaden für Deutschland soll in die Milliarden gehen.

Deutsche Staatsanwälte ermitteln schon seit längerem gegen verschiedene Großbanken wegen „Cum-Ex“-Geschäften, darunter auch die Deutsche Bank. In dem Bonner Verfahren - dem ersten Strafprozess überhaupt zu den fragwürdigen Steuerdeals - wurde das Frankfurter Geldhaus nicht als sogenannter Einzugsbeteiligter für eine mögliche Vermögensabschöpfung herangezogen. Dies liegt daran, dass die Deutsche Bank in der Anklageschrift keine wesentliche Rolle spielt.

(hsr/dpa)
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