Düsseldorf Billiges Geld macht Investieren leichter

Düsseldorf · Sparer kritisieren die Niedrigzinsen, Konzerne sind dagegen begeistert. Laut einer Studie sind die Gewinne dank billigem Geld deutlich gestiegen. Unternehmen wie Bayer, Henkel oder Evonik gehen günstig auf Einkaufstour.

Der Bayer-Konzern kauft den US-Wettbewerber Monsanto für 57 Milliarden Dollar. So viel hat noch nie ein deutsches Unternehmen in eine Akquisition gesteckt. Das Besondere daran: Anstatt mit eigenen Aktien bei einem Aktientausch zu zahlen und so künftige Risiken auf alle Inhaber zu verteilen, wird Bayer-Chef Baumann komplett in bar bezahlen. Und gemessen am hohen Risiko, bekommt er das Geld extrem günstig. "Wir haben die Transaktion auf Basis einer durchschnittlichen Zinsbelastung von 3,5 Prozent geplant", erklärte er jüngst in einem Interview. Ein Drittel des Geldes holt er mit neuen Aktien herein, die Banken leihen ihm "nur" 38 Milliarden Dollar.

Das Beispiel Bayer zeigt, wie sehr die EZB-Politik des billigen Geldes den Unternehmen nützt. Diese leiden zwar darunter, dass sie künftige Pensionen wegen niedrigen Zinsen schwieriger finanzieren können, doch im operativen Geschäft erhöht das billige Geld die Gewinne und erleichtert Zukäufe.

Seit 2008 stieg die Vorsteuerrendite von Dax-Konzernen (anhand von 24 Mitgliedern gerechnet) von 5,1 auf 6,7 Prozent 2015 - auch weil die Unternehmen immer weniger Geld für Zinsen ausgeben müssen. Das ergibt eine Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman, die unserer Redaktion vorliegt. Müssten Unternehmen im Schnitt noch rund 5,4 Prozent für Kredite zahlen wie 2008 und nicht drei Prozentpunkte weniger, läge die Vorsteuerrendite nur bei 5,8 Prozent. "Aktionäre profitieren doppelt von den Niedrigzinsen", sagt Thomas Kautzsch, Partner von Oliver Wyman, "einerseits steigen die Erträge dank sinkender Zinsbelastung, andererseits die Kurse der Aktien, weil Anleger ihr Geld oft lieber in Aktien statt in festverzinsliche Anlagen stecken."

Wie sehr das operative Geschäft vom billigen Geld profitiert, zeigen Post und Telekom. Die Post erhielt kürzlich 750 Millionen Euro frisches Geld für nur 0,375 Prozent Zins. Das erlaubt, das Paketgeschäft in Europa auszubauen und sogar Aktien zurückzukaufen, um so den Kurs hochzutreiben. Die Telekom investiert mit billigem Geld (null Prozent Zins für drei Jahre) bis 2018 zwölf Milliarden Euro in den Netzausbau.

Die Konzerne erlauben sich mit dem frischen Geld weltweite Einkaufstouren und treiben sich bei den Preisen gegenseitig hoch. "Eine Großakquisition wie der Kauf von Monsanto durch Bayer wäre früher wegen der hohen Zinslast nicht möglich gewesen", sagt Bert Flossbach, Vorstand von Flossbach von Storch AG in Köln. Daniel Stelter, Autor des Buches "Die Schulden im 21. Jahrhundert", sieht das ebenso und rechnet vor: Würde Bayer statt 3,5 Prozent rund sechs Prozent für die Kredite zahlen, würde dies pro Jahr eine Milliarde Euro mehr an Zinsen kosten. Ergebnis: Das Geschäft würde sich nicht mehr lohnen. Oder Monsanto hätte den Verkaufspreis senken müssen.

Der Essener Chemiekonzern Evonik hat gerade einen 3,5 Milliarden Euro teuren Zukauf zum Teil mit Krediten finanziert - viereinhalb Jahre Laufzeit, null Prozent Zins. 750 Millionen Euro für acht Jahre kosten 0,375 Prozent, 500 Millionen für zwölf Jahre 0,75 Prozent. "Das sind sehr attraktive Konditionen", jubelte Finanzchefin Ute Wolf. Henkel hat es Anfang September sogar geschafft, einen 3,2 Milliarden Euro teuren Zukauf so zu finanzieren, dass der Konzern damit teilweise sogar Geld einnimmt. Finanzvorstand Carsten Knobel sammelte für einen Teilbetrag 500,5 Millionen Euro ein, muss bis 2018 keine Zinsen zahlen und dann 500 Millionen Euro zurückzahlen. Also bringt die Anleihe 500.000 Euro Gewinn für Henkel. Die Anleger schlucken eine Negativrendite von 0,05 Prozent.

Doch so schön die Billigzinsen sind, so sehr kann die sich abzeichnende Wende hin zu höheren Zinsen Unternehmen bedrohen. Ihnen drohen deutlich steigende Ausgaben, wenn die Zinsen wie allgemein erwartet langsam anziehen. Die meisten Konzerne versuchen deshalb, sich einen möglichst großen Teil ihrer Finanzierung für viele Jahre festzuschreiben. Thyssenkrupp beispielsweise lässt sich bis 2020 eine 750-Millionen-Euro-Anleihe 1,75 Prozent Verzinsung kosten. 600 Millionen Euro muss Thyssenkrupp aber erst in neun Jahren zurückzahlen. Für diese relativ lange Zinsbindung werden 0,75 Prozent Aufschlag fällig. "Das ist nicht billig, gibt uns aber Sicherheit", heißt es.

(RP)
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