Wohnungskonzerne in der Hauptstadt Berliner stimmen über Enteignung ab
Berlin · Am Sonntag geht es in der Hauptstadt nicht nur um Bundestags-, Landtags- und Bezirkswahlen, sondern auch um die großen privaten Wohnungskonzerne. Am Ende könnte der Fall vor dem Verfassungsgericht landen.
Worüber wird abgestimmt? Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hat den Berliner Senat aufgefordert, „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind“. Das heißt: Gehören einem privaten Eigentümer in Berlin mehr als 3000 Wohnungen, sollen die in eine Anstalt des öffentlichen Rechts eingebracht werden. Die wäre dann für die Verwaltung der Wohnungen zuständig.
Warum wird überhaupt votiert? Die Mitglieder der Initiative glauben, dass nur so genug bezahlbarer Wohnraum in der Hauptstadt zur Verfügung gestellt werden kann. Aus ihrer Sicht sind die Konzerne schuld am Anstieg der Mieten und daran, dass bezahlbarer Wohnraum knapp geworden ist. Das liegt allerdings auch daran, dass über Jahre hinweg zu wenig gebaut wurde.
Sind Enteignungen möglich? Tatsächlich steht im Artikel 15 des Grundgesetzes: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“ Allerdings müssten die Enteigneten dann entschädigt werden. Das könnte bei einer deutlich sechsstelligen Zahl an Wohnungen durchaus einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten. Das Land Berlin selbst geht von bis zu 35 Milliarden Euro aus.
Wer würde dann enteignet? Vor allem träfe es die großen Wohnungskonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen, die vor dem Zusammenschluss stehen und knapp 15.000 Wohnungen an das Land Berlin abgeben wollen – ein Akt der Befriedung, wie viele glauben. Beiden zusammen gehören aktuell mehr als 150.000 Wohnungen in der Hauptstadt.
Was sagt die Politik? Die Berliner Parteien lehnen eine Enteignung größtenteils ab – außer den Linken und den Grünen, die darin eine Ultima Ratio sähen, falls es keine andere Lösung gäbe. So hat es die Berliner Grünen-Spitzenkandidatin Betttina Jarasch formuliert, und die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat dies zuletzt bekräftigt. Beide verlangen, dass alle Beteiligten im Zusammenspiel versuchen, das Wohnungsproblem zu lösen.
Dagegen ausgesprochen haben sich unter anderem SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und dessen Parteikollegin Franziska Giffey, die Regierende Bürgermeisterin werden will. Und auch Ökonomen, die sagen, durch eine Enteignung der Konzerne würde keine Wohnung neu gebaut. Die würde die Knappheit eher noch verschärfen, weil Neu-Berliner noch schwerer eine Wohnung finden würden.
Im welchem Fall wäre der Volksentscheid erfolgreich? Dazu müsste mindestens jeder vierte Berliner dem Vorhaben der Initiative zustimmen, und gleichzeitig müsste sich bei den abgegebenen Stimmen eine Mehrheit für die Enteignung aussprechen.
Und dann? Dann wäre immer noch keine Entscheidung gefallen. Es müsste dann erst einmal ein Gesetz auf den Weg gebracht werden, das diese Enteignung regelt. Wobei fraglich ist, ob das nach der Berliner Landesverfassung überhaupt geht. Am Ende ist es durchaus möglich, dass das Bundesverfassungsgericht urteilen muss. Dessen Entscheidung könnte dann allerdings auch Signalcharakter für andere Vorhaben dieser Art haben.