Finanzierung der Corona-Folgen Berlin stemmt sich gegen gemeinsame Eurobonds

Berlin · Italien und Spanien dringen auf gemeinschaftliche Anleihen zur Bewältigung der Corona-Krise. Die Bundesregierung will dagegen mehr Hilfskredite des ESM-Rettungsfonds für Südeuropa mobilisieren.

 Finanzminister Olaf Scholz (SPD).

Finanzminister Olaf Scholz (SPD).

Foto: dpa/Peter Kneffel

Die Mehrheit der Euro-Staaten will sie unbedingt, eine Minderheit von nur vier Ländern einschließlich Deutschlands stemmt sich dagegen: Angeführt von Italien und Spanien, die unter der Corona-Krise besonders leiden, und unterstützt von Frankreich, unternehmen die Südeuropäer wie in der Finanzkrise vor zehn Jahren den Versuch, gemeinschaftliche Euro-Anleihen, so genannte Eurobonds, durchzusetzen.

Mit Euro- oder Coronabonds, wie sie jetzt auch genannt werden, wollen die angeschlagenen Länder die günstigeren Zinsen nutzen, die Länder wie Deutschland für neue Staatsanleihen am Kapitalmarkt bezahlen müssen. Ihr Hauptargument aber ist, dass Eurobonds die Euro-Zone endgültig vor dem Zerfall retten würden, weil dann von stark ansteigenden Refinanzierungszinsen für Italien und Co. keine Gefahr mehr für die Einheitswährung ausgehen könne.

Die Bundesregierung lehnt Eurobonds jedoch ab, weil sie befürchtet, für die unsolide Finanzpolitik anderer Euro-Länder – etwa Italiens – und auch deren Altschulden gerade stehen zu müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sind sich in dieser Haltung einig, wenngleich Scholz´ Rückhalt dafür in der eigenen Partei nicht besonders groß ist. Mit der Union sind Eurobonds jedoch nicht zu machen, auch wenn der Druck der übrigen Euro-Länder nochmals zunehmen sollte.

Scholz will nun am Dienstag in einer Telefon-Schaltkonferenz mit seinen Amtskollegen die deutsche Ablehnung bekräftigen und einen eigenen Lösungsvorschlag präsentieren. Ohne die Zustimmung Berlins und der übrigen Eurobonds-Gegner – Niederlande, Finnland und Österreich – können die Euro-Anleihen nicht durchgesetzt werden.

Nach dem Plan von Scholz sollen Eurobonds durch alternative Instrumente vermieden werden. Hier denkt der SPD-Politiker vor allem an den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der nach der Finanzkrise eingerichtet worden war, um klamme Staaten und Banken zu retten. Der ESM könnte wegen ungenutzter Kreditlinien aktuell bis zu 410 Milliarden Euro an Italien, Spanien und andere Länder ausreichen. Scholz spricht zunächst von 100 Milliarden Euro an frischen ESM-Krediten.

Die Voraussetzung dafür ist aber, dass die Länder Auflagen erfüllen, etwa Pläne zum Schuldenabbau vorlegen. Diese wollen Italien und Co. gerne vermeiden. Der ESM soll daher auch nur Kredite mit „geringer Konditionalität“ weiterreichen. Wenn die Kreditmöglichkeiten des ESM nicht ausreichen sollten, wäre Berlin bereit, sein Eigenkapital um bis zu 22 Milliarden Euro aufzustocken, wie der „Spiegel“ berichtet.

Weitere Bausteine des Scholz-Vorschlags sind die Europäische Investitionsbank (EIB), die rund 50 Milliarden Euro für Mehrinvestitionen einsetzen soll, und eine Arbeitslosenrückversicherung, ein neuer EU-Sondertopf, mit 50 bis 100 Milliarden Euro, der Kurzarbeit finanzieren soll. Einen ähnlichen Vorschlag hatte am Donnerstag EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) präsentiert.

„Die Überlegungen von Minister Scholz gehen in die richtige Richtung. Eine Kombination aus EU-Haushalt, EIB und ESM sollte genügen, um europäische Solidarität zu zeigen, vor allem aber um die stärker vom Corona-Virus betroffenen Staaten finanziell zu stützen“, sagte der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld. Auch der Sachverständigenrat habe in seinem Sondergutachten die Nutzung der bestehenden Instrumente vorgeschlagen, insbesondere die vorsorgliche Kreditlinie des ESM mit minimaler Konditionalität.

Eine EU-Arbeitslosenversicherung oder ein Fonds für ein gemeinsames Kurzarbeitergeld werfe allerdings zwei Probleme auf, warnte Feld: Zum einen wäre das der Start in eine eigene Verschuldungsmöglichkeit der EU, die Deutschland bisher auch abgelehnt hatte. Zum anderen finde eine bisher unerwünschte Kompetenzverlagerung der Arbeitsmarktpolitik nach Brüssel statt.

„Zu einer echten Vergemeinschaftung von Schulden im Euroraum darf es nicht kommen“, warnte Feld. Das Kernproblem liege in der gesamtschuldnerischen Haftung: „Wenn also einer der gemeinschaftlichen Schuldner gegenüber den Gläubigern für die volle Summe einer Anleihe haftet, sich aber erst im Innenverhältnis von den anderen europäischen Staaten deren Anteil daran zurückholen könne, sagte der Vorsitzende des Wirtschafts-Sachverständigenrats der Bundesregierung. „Die gesamtschuldnerische Haftung bedeutet ein hohes finanzpolitisches Risiko für jeden einzelnen Mitgliedstaat. Das darf keinesfalls passieren.“ Nicht einmal in Deutschland gebe es diese Haftung zwischen Bund und Ländern.“

Der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, ist anderer Meinung. „Die jetzt vorgeschlagenen Bausteine für europäische Hilfen an besonders betroffene Länder weisen in die richtige Richtung, sind aber nicht ausreichend“, sagte Felbermayr. „In dieser Ausnahmesituation muss die EU eine Art Versicherungsfunktion für ihre Mitglieder übernehmen, denn das gehört zu den impliziten Versprechen einer Mitgliedschaft.“

Es werde Transfers der Länder mit höherer finanzieller Schlagkraft an stärker betroffene und weniger finanzkräftige Länder geben müssen. „Das entspricht nicht nur dem europäischen Solidaritätsgedanken, sondern ist auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der besser aufgestellten Länder.“ Felbermayr forderte Eurobonds im Umfang von einer Billion Euro. „Ich halte die gemeinschaftliche Ausgabe europäischer Corona-Bonds im Volumen von zum Beispiel 1000 Milliarden Euro für die beste Lösung, um ein starkes europäisches Signal der Geschlossenheit und der Entschlossenheit zu senden.“

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