Flughafen BER BEReit zum Abheben

Berlin · 14 Jahre nach dem ersten Spatenstich und acht Jahre nach dem geplanten Starttermin nimmt der Berliner Flughafen den Betrieb auf.

 Alles startklar: Auf dem Vorfeld stehen bereits zahlreiche Flugzeuge vor Terminal 1 des neuen Hauptstadtflughafens.

Alles startklar: Auf dem Vorfeld stehen bereits zahlreiche Flugzeuge vor Terminal 1 des neuen Hauptstadtflughafens.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu eröffnen? Doch! Kaum zu glauben: Berlin, die Stadt, die nie fertig wird, hat nun einen Airport, der – Wunder im märkischen Sand – nun tatsächlich fertig geworden ist. Acht Jahre nachdem der seinerzeit für den 3. Juni 2012 mit großem Getöse angekündigte Start des Großflughafens Berlin Brandenburg International abgeblasen werden musste, nimmt der BER, wie der Airport in der Luftfahrtsprache heißt, am Samstag seinen Betrieb auf. Jener 8. Mai 2012, als der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, und der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck („Ich bin stinksauer“) zerknirscht einräumen mussten, dass es mit der Berliner Großflugplänen erst einmal nichts wird, gilt bis heute in der Belegschaft als „Tag der Kapitulation“.

Aber jetzt kommt der Tag der Erlösung. Jener Tag, an dem lange nicht gelöste, massive Probleme beim Brandschutz mit völlig überbelegten Kabelschächten, die sich aufheizen und Feuer hätten fangen können, endlich Geschichte ist. Von 170.000 Kilometern Kabel mussten Zehntausende Kilometer neu verlegt werden. 2013 hatten Bauprüfer unglaubliche 14.750 Baumängel beim Brandschutz notiert und moniert. Der Brandschutz blieb das zentrale Problem auf Deutschlands meistdiskutierter Großbaustelle – immer verbunden mit dem Spott: Berlin kann Party, aber offensichtlich keinen Flughafen bauen.

Wenn an diesem Samstagabend die erste Maschine des regulären Flugplans (Easyjet aus Fuerteventura) – nach zwei Sonderflügen am Nachmittag von Lufthansa und Easyjet – am neuen Großflughafen landet und am Sonntag der erste Flieger (Easyjet nach London-Gatwick) startet, dann ist der neue Airport vor den Toren der Hauptstadt hoffentlich kein Problem-BER mehr.

Und Tegel? Ach, Tegel, ick liebe Dir, sagen die Berliner. Vertraut, familiär, funktional – TXL schließt am 8. November wohl für immer. Am BER soll nach dem Probebetrieb (siehe Info-Kasten) alles wie am Schnürchen laufen. Automatiktüren sollen wie selbstverständlich öffnen (auch in die richtige Richtung), Rolltreppen fahren, Monitore die richtigen Flüge anzeigen und alle Wegweiser unmissverständlich über Gelände und Terminals leiten. 300 Designer-Mülleimer mussten kurz vor dem Starttermin noch ausgetauscht werden, weil sie schön waren, aber unbrauchbar. Schon eine dickere Zeitungs-Wochenendausgabe hätte die Öffnung verstopft. Ladesäulen für Handys wurden flugs noch beschafft, fehlende Uhren angebracht.

Es war ein sehr langer Weg vom ersten Spatenstich 2006 bis zur Eröffnung am 31. Oktober 2020. Roland Böhm hat schon 2012 den Umzug von Tegel zum BER organisiert, der dann kurzerhand gestoppt werden musste. Jetzt sitzt Böhm bei einer großen Tasse Cappuccino in einer der Sitzgruppen eines US-amerikanischen Kaffeerösters am Terminal 1, über ihm der rote „Fliegende Teppich“, das großflächige Kunstwerk der kalifornischen Künstlerin Pae White, und erinnert sich. 30 Prozent des Umzuges waren schon abgewickelt, als die Gesellschafter des Flughafens (Berlin, Brandenburg und Bund) die Ampeln auf Rot stellten – doch kein Flugbetrieb am BER, wo der damalige Flughafenchef Rainer Schwarz noch Wochen zuvor vollmundig verkündet hatte: Wir starten! Schwarz musste gehen. Nach Schwarz versuchte Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, als Flughafen-Geschäftsführer den BER an den Start zu kriegen, nach Mehdorn kam der frühere Rolls-Royce-Manager Karsten Mühlenfeld, auf Mühlenfeld folgte schließlich Engelbert Lütke Daldrup, der das Wunder von Berlin schließlich schaffen sollte.

Umzugsmanager Böhm hatte 2012 schon den Transfer des tonnenschweren Großgerätes wie Flugzeug-Schlepper, Gepäckanhänger oder Hubbühnen („Lang, breit, hoch, schwer“) in einer einzigen Nacht geplant, für deren Schwertransport eigens die Berliner Stadtautobahn gesperrt werden sollte. Aber dann kam alles anders. Der BER blieb Dauerbaustelle. Die Kosten explodierten, die Steuerzahler retteten mit immer mehr frischem Geld das Projekt. Nach sieben geplatzten Eröffnungsterminen soll es nun im achten Anlauf klappen.

Und es wird es klappen, gibt sich Böhm sicher, der die Umzugsslots für die 190 Nutzer (Ladenbetreiber, Airlines, Abfertiger, Sicherheitsfirmen) im Blick haben muss. Jeder „Nutzer“ muss seinen Umzug selbst organisieren, Böhm hat dafür den Zeitplan. Und so merkwürdig es klingen mag: Die Corona-Pandemie, die den Flugbetrieb weltweit teilweise völlig zum Erliegen brachte, ist beim Umzug eines Flughafens gewissermaßen hilfreich, „weil wir nicht unter Volllast eröffnen ­müssen“.

Wo an beiden Berliner Flughäfen im Durchschnitt eines Tages rund 100.000 Passagiere abfliegen oder zurückkehren, sind es gegenwärtig täglich maximal 20.000. Die Berliner (nicht nur die Taxifahrer) spotteten schon, jetzt, da der BER tatsächlich eröffne, dürfe man wegen der Corona-Pandemie nicht mehr fliegen. Auch wenn alle auf eine Rückkehr zur (Flug-)Normalität hofften, sei es auch ein beruhigendes Gefühl, „nicht am ersten Tag gleich an der Lastgrenze“ zu sein, sagt etwa Terminal-Managerin Kathy Krüger, „auch wenn es insgesamt besser wäre, wir hätten Normalität“. Mit solchen Konjunktiven werden die Mitarbeiter am BER noch eine Weile leben müssen. Krüger findet jedenfalls richtig, dass der BER dieses Mal anders als 2012 „bescheiden und ohne dicke Sprüche“ startet. Flughafenchef Lütke Daldrup erwartet am Sonntag, dem ersten vollen Betriebstag am neuen Flughafen, rund 5000 Passagiere – plus 8000 weitere Passagiere am ehemaligen Flughafen Schönefeld, der jetzt BER Terminal 5 heißt.

Patrick Muller, als Chief Operations Officer der Betriebsleiter am BER, hat schon die Flughäfen in Doha, Frankfurt/Hahn, Dubai, Kairo, Dschidda ans Fliegen gebracht, als ihn 2018 ein Headhunter anrief. Es gebe da einen großen neuen Flughafen in Europa, der habe ein Problem. Muller, der gerade den Flughafen in Kuwait startklar bekommen sollte, wusste sofort: Gemeint ist der BER. Er griff zu, seine Frau wollte ohnehin zurück nach Europa. Muller und Flughafenchef Lütke Daldrup hatten ihren Deal. Und der BER hat jetzt seinen Start. Darauf mindestens ein Kölsch, frisch vom Fass, unten in der Gastrozeile von Terminal 1, wo die „Ständige Vertretung“ nach acht Jahren Wartezeit nun ebenfalls eröffnen kann: Ready for Zapf-off!

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