Berlin Bei Medikamenten droht Preisanstieg

Berlin · Krankenkassen und Politiker warnen vor einem Preissprung für Arzneimittel im Januar, weil das Kanzleramt eine Gesetzesinitiative gestoppt hat. Eigentlich sollte der Zwangsrabatt erhöht und das Preismoratorium verlängert werden.

Krankenkassen und führende Gesundheitspolitiker haben vor einem neuen Kostenschub für Medikamente Anfang des kommenden Jahres gewarnt. Das Kanzleramt habe eine ursprünglich für kommende Woche vorgesehene Gesetzesinitiative auf nächstes Jahr verschoben, bestätigte Regierungssprecher Steffen Seibert einen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Union und SPD wollten mit dem Gesetz das zum Jahresende auslaufende Preismoratorium für die Pharmabranche auf 2014 verlängern. Zudem wollte Schwarz-Rot den Zwangsrabatt, den die Hersteller den Kassen gewähren müssen, von sechs auf sieben Prozent erhöhen. "Jeder Tag Verzögerung kostet die Beitragszahler fast zwei Millionen Euro zusätzlich", sagte ein Sprecher des Krankenkassen-Spitzenverbands gestern in Berlin.

Derzeit dürfen Pharmafirmen die Preise für Medikamente nicht erhöhen. Dieser 2009 eingeführte Preisstopp läuft aber Ende des Jahres aus. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD eine Anschlussregelung für 2014 vereinbart, die nun aber infrage steht, weil das Kanzleramt die erste Lesung des entsprechenden Gesetzes noch vor Weihnachten aus terminlichen Gründen nicht mehr für machbar hielt. Die hochkomplexen Regelungen benötigten mehr zeitlichen Vorlauf, sagte Seibert.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bemühte sich jedoch gestern, doch noch einen Termin am kommenden Donnerstag nach der Vereidigung der neuen Regierung durchzusetzen. "Ich unterstelle dem Kanzleramt keine böse Absicht. Aber hier geht es um 500 bis 700 Millionen Euro an Zusatzkosten für die Krankenkassen und Beitragszahler", sagte Lauterbach. Nach seiner Rechtsauffassung genüge es, wenn das Gesetz noch in diesem Jahr in erster Lesung verabschiedet werde. In diesem Fall dürften die Pharmahersteller die Preise nicht zum 1. Januar erhöhen. Das sei die sauberste Lösung.

Bei einer späteren Verabschiedung sei es unsicher, ob das dann ausgesetzte Preismoratorium von 2010 wieder eingeführt werden könnte. Dies wäre vermutlich rechtlich anfechtbar, zumal die gesetzlichen Krankenkassen über Reserven von rund 27 Milliarden Euro verfügten, hieß es auch in der Union.

Der Zwangsrabatt, den die Hersteller den Kassen gewähren müssen, sinkt ohne die gesetzliche Neuregelung 2014 von derzeit noch 16 auf dann nur noch sechs Prozent. Dieser Zwangsrabatt würde ohne eine erste Lesung des Gesetzes noch in diesem Jahr auf die künftig höheren Medikamentenpreise gewährt werden müssen. Die für 2014 anvisierten Kosteneinsparungen der Kassen von bis zu 700 Millionen Euro wären dann hinfällig. Eigentlich wollten Union und SPD für 2014 einen Zwangsrabatt von sieben Prozent festlegen.

Seibert erklärte, es gehe nur um einen Aufschub, nicht um einen Stopp der Pläne. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, versicherte: "Wir wollen das Preismoratorium fortsetzen und den Zwangsrabatt von sechs auf sieben Prozent erhöhen, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Daran gibt es keinen Zweifel." Wichtig sei aber ein rechtlich einwandfreies Verfahren. Der Kassen-Sprecher erklärte: "Wir appellieren an die Regierung, die geplanten Maßnahmen so schnell wie möglich umzusetzen." Auch Kathrin Vogler, Gesundheitspolitikerin der Linken, wandte sich gegen "Weihnachtsgeschenke" an die Pharmaindustrie.

(mar)
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