Wohnungsnot Bei Bodensteuer-Plan der SPD droht Doppelbelastung

Der SPD-Chef fordert eine Bodenwertzuwachs-Steuer. Dabei sorgen schon jetzt sorgen Grund- und Grunderwerbsteuer für Milliardeneinnahmen. Auch gegen Spekulanten geht der Fiskus bereits vor.

 Mehr Neubau (hier: Siedung in Gelsenkirchen) braucht das Land.

Mehr Neubau (hier: Siedung in Gelsenkirchen) braucht das Land.

Foto: dpa/Oliver Berg

Noch hat SPD-Chef Norbert Walter Borjans nicht gesagt, wie er sich seine neue Bodenwertzuwachs-Steuer vorstellt. Sein Parteifreund, der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte, sagte zwar: „Belastet würden nur diejenigen, die ein Grundstück verkaufen, dessen Wert durch kommunale Planung ohne eigenes Zutun massiv gesteigert wurde.“ Das betreffe weniger als 0,001 Prozent der Bevölkerung. Dennoch bleiben viele Fragen: Wie wird das ermittelt? Soll die Steuer nur für Investoren gelten oder auch für Omas Häuschen? Und geht es Walter-Borjans wirklich nur um Verkäufe?

Mit der Forderung, der Staat sollte „den extremen Wertzuwachs von Grund und Boden in Deutschland ein Stück weit abschöpfen“, löste der Sozialdemokrat jedenfalls eine Welle der Kritik aus. Vor allem zwei Einwände werden vorgebracht: So schrecke man Investoren ab und verschärfe die Wohnungsnot, monierte der Zentrale Immobilien-Ausschuss. Zudem komme es zu einer massiven Mehrfachbesteuerung. Der Wertzuwachs von Grundstücken werde bereits besteuert, mahnte der CDU-Wirtschaftsrat. Dessen Generalsekretär Wolfgang Steiger sagte: „Wie viele Steuern sollen es noch werden?“ Tatsächlich werden Eigentümer von Grundstücken bereits vielfach zur Kasse gebeten.

Grunderwerbsteuer Beim Verkauf eines Grundstücks muss meist der Käufer, egal ob Privatmann oder Unternehmen, Grunderwerbsteuer zahlen – und zwar nicht zu knapp. Die Länder legen den Steuersatz selbst fest. In NRW liegt der Satz am oberen Ende bei 6,5 Prozent der Kaufsumme. Bei einem Grundstückspreis von 300.000 Euro sind das schon 19.500 Euro. 2018 nahm der Staat bundesweit über 14 Milliarden Euro an Grunderwerbsteuer ein.

Grundsteuer Zudem muss der Immobilienbesitzer Jahr für Jahr Grundsteuer zahlen, deren Höhe soll sich künftig unter anderem nach dem Wert richten. So haben es Bund und Länder nach langem Streit bei der Grundsteuer-Reform verabredet, die ab 2025 gilt. Es gibt zwar eine Öffnungsklausel, Bayern etwa will die Bodenwerte nicht berücksichtigen. Will Walter-Borjans den Kompromiss wieder aufschnüren? Dabei enthält die Grundsteuer sogar eine Komponente gegen Spekulanten, die Grundsteuer C: So dürfen Kommunen Eigentümer, die baureife, aber unbebaute Grundstücke besitzen, mit einem erhöhten Hebesatz belegen. Damit soll verhindert werden, dass Investoren Grundstücke nur zurückhalten, weil sie auf noch höhere Erlöse in der Zukunft hoffen, und so die Schaffung von Wohnraum behindern.

Spekulationssteuer  Wer eine Immobilie kauft und in weniger als zehn Jahre weiterverkauft, wird vom Fiskus schon jetzt als Spekulant angesehen: Nach Paragraf 23 Einkommensteuergesetz ( „Private Veräußerungsgeschäfte“) wird der dabei erzielte Gewinn besteuert – und zwar mit dem entsprechenden persönlichen Einkommensteuersatz. Wegen der progressiven Gestaltung der Steuer greift der Fiskus bei solche Einkommensspitzen besonders stark zu. Ausgenommen von der Steuer sind nur Immobilien, die der Steuerpflichtige zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Mit dieser Ausnahme will der Fiskus die berufliche Mobilität sichern: Wer vier Jahre nach Einzug in ein Haus in Hamburg nach München geht, würde ansonsten steuerlich bestraft.

Verfassungsrecht Wenn Walter-Borjans die Steuer nicht nur bei einem Verkauf von Grundstücken erheben will, sondern auch die in den Büchern erfolgte Wertsteigerung „abschöpfen“ will, tauchen weitere Probleme auf. Praktische: Wer ermittelt für die vielen Grundstücke in Deutschland die Buchwerte? Sozialpolitische: Soll die Seniorin, deren vor 50 Jahren in Düsseldorf erbautes Häuschen plötzlich an Wert zulegt, einen Kredit aufnehmen, um die neue Bodensteuer zu zahlen? Verfassungsrechtliche: „Die Wertzuwachssteuer wäre verfassungsrechtlich nicht möglich. Denn das Bundesverfassungsgericht hat schon früher entschieden, dass Steuern auf einen fiktiven Sollertrag nicht zulässig sind“, warnte Steiger vom Wirtschaftsrat den Koalitionspartner.

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