Washington Trump treibt Schutzzölle voran

Washington · Kaum im Amt leitet der US-Präsident den Rückzug aus dem Transpazifischen Handelsabkommen ein. Zugleich kündigt er vor Konzernchefs Steuersenkungen für Firmen an, die in den USA produzieren. Ökonomen sind alarmiert.

BDI-Chef Kempf warnt vor weltweiten Wohlstandsverlusten durch Trump-Politik
Foto: Zörner/ NINH

Zu Beginn seiner ersten Arbeitswoche schlägt der neue US-Präsident erste Pflöcke ein. Bei einem Treffen mit den Chefs von US-Konzernen wie Ford, Dow Chemical, Tesla, Dell, Under Armour, Johnson & Johnson und Lockheed Martin kündigte Donald Trump steuerliche Erleichterungen für Firmen an, die in den USA produzieren. Wer die Produktion ins Ausland verlagert, müsse hingegen mit hohen Einfuhrzöllen rechnen. Zudem ordnete er den Ausstieg der USA aus dem pazifischen Freihandelsabkommen TPP an. "Kauft amerikanisch, stellt Amerikaner ein", hatte Trump in seiner Antrittsrede gesagt. Dieses Motto gelte ab sofort für jede politische Entscheidung.

Was kommt in der Handelspolitik? Im Wahlkampf hat Trump Strafzölle von 35 Prozent für importierte Produkte angedroht, etwa für Autos aus Deutschland. Hintergrund: Die USA haben im Vergleich zu Deutschland oder China eine Exportschwäche. Dieser Nachteil, so glaubt Trump, würde durch TPP oder das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP nur noch größer. TTIP ist noch nicht einmal ausverhandelt, TTP ist ausverhandelt, aber noch nicht in Kraft. An TTP wollten sich ursprünglich neben den USA Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam beteiligen. Bereits seit 1994 in Kraft ist dagegen das nordamerikanische Abkommen mit Kanada und Mexiko ("Nafta"). Das will Trump jetzt neu verhandeln. Heute soll sein Schwiegersohn und Berater Jared Kushner nach Kanada reisen und mit Ministerpräsident Justin Trudeau über die Zukunft von Nafta sprechen. Multilaterale Abkommen lehnt Trump ab, stattdessen setzt er auf bilaterale Abkommen - etwa mit Großbritannien.

Wie wirkt der Protektionismus auf die US-Wirtschaft? Kurzfristig könnte Trump durchaus Erfolge erzielen, durch die Aufkündigung von TPP will er die billige Konkurrenz aus asiatischen Ländern eindämmen. Langfristig schadet die Strategie jedoch der US-Wirtschaft, die auf Vernetzung mit Zulieferern aus aller Welt angewiesen ist. Darüber sind sich Ökonomen und Wirtschaft einig. Durch Einfuhrzölle verteuern sich zudem die importierten Produkte für US-Verbraucher. Die US-Industrie zu stärken, lasse sich "keineswegs durch Strafzölle und Protektionismus erreichen. Niemand ist eine Insel", warnte der neue Industrie-Präsident Dieter Kempf.

Welche Zoll-Politik ist geplant? Schon während Obamas Amtszeit waren die USA nicht gerade zimperlich, wenn es darum ging, ihre Wirtschaft vor Billigprodukten aus dem Ausland zu schützen, insbesondere die Stahlbranche profitierte. 2016 schraubte die US-Außenhandelsbehörde etwa die Anti-Dumping-Zölle für kaltgewalzte Bleche aus China auf mehr als 520 Prozent hoch. Für korrosionsbeständige Bleche mussten chinesische Produzenten Aufschläge von mehr als 450 Prozent zahlen. Trump dürfte an diesem Kurs festhalten und ihn sogar noch verschärfen. Vor der Amtseinführung hatte er zudem allgemeine Importzölle auf chinesische Waren von 45 Prozent angekündigt.

Das Problem des chinesischen Billigstahls trifft auch die EU. Sie erhebt ebenfalls Zölle für Stahl aus Fernost. Diese liegen aber mit bis zu 73,7 Prozent deutlich unter dem Niveau der USA.

"Schutzzölle in den USA bringen wenig. Die Schwäche der US-Wirtschaft sind ihre geringen Exporte, weswegen es sinnvoller wäre, deren Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern", sagt Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut. Importbeschränkungen würden mehr Arbeitsplätze in den USA kosten als ihnen bringen.

Wie wirkt Trumps Kurs auf die deutsche Wirtschaft? Deutsche Unternehmen wären stark betroffen. Deutschland exportiert zwar die meisten Waren in die Europäische Union. Doch als einzelnes Land sind die USA der bedeutendste Markt: 2015 verkauften deutsche Firmen Waren für 114 Milliarden Euro dorthin. Damit entfallen 9,5 Prozent der deutschen Exporte auf die USA. Die deutsche Pharmaindustrie schickt sogar 19 Prozent ihrer Waren in die USA, die Autoindustrie 15 Prozent. Die Autoindustrie sei "eine Achillesferse, über die wir es besonders heftig zu spüren bekommen würden, wenn der angekündigte protektionistische Kurs umgesetzt würde", sagte Michael Hüther, Chef des Instituts der Wirtschaft. Die USA sind nach China der zweitgröße Neuwagen-Markt der Welt. Auf deutsche Hersteller entfällt ein Marktanteil von 7,3 Prozent. Zusätzliche Zölle würden den Anteil schmälern, ist Experte Ferdinand Dudenhöffer überzeugt. Einen Ausweg sieht er in der "CKD-Produktion", bei der die Autos in Einzelteilen in Kisten verpackt nach Übersee geschickt würden, um vor Ort montiert zu werden. Audi verschifft schon jetzt CKD-Sätze vom Duisburger Hafen aus in die ganze Welt.

Welche Wirtschaftspolitik plant Trump? Gestern hat Trump ein kreditfinanziertes Investitionsprogramm für die Infrastruktur, kräftige Steuersenkungen für Unternehmen und die Mittelschicht sowie den Abbau von 75 Prozent aller Regulierungsvorschriften angekündigt. Trump sagte den Konzernchefs zu, die Unternehmenssteuern auf 15 bis 20 Prozent der Gewinne zu senken. Diese Reduzierungen drohen aber das ohnehin enorme US-Staatsdefizit weiter zu erhöhen - und tendenziell auch die Kluft zwischen Arm und Reich.

Wie könnte Trump auf die Geldpolitik wirken? Trumps Politik könnte der Notenbank Fed helfen, die Zinsen schneller zu erhöhen. Entgegen allen Prognosen gingen seit seinem Wahlsieg die Aktienkurse und die Renditen von Staatsanleihen nach oben. Steigt nun die Inflation, könnte die Fed den Leitzins rascher anheben. Das wäre schön für Sparer, aber zugleich schlecht für amerikanische Exporteure. Denn hohe Zinsen locken ausländisches Kapital an und treiben den Dollar.

(mar, maxi, flor)
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