Branchenkrise Vom Bau gibt es fast nur Hiobsbotschaften
Düsseldorf · Es passt ins Bild, dass der Bochumer Konzern Vonovia die Pläne für 60.000 Wohnungen auf Eis liegen hat. Am Montag ist Branchengipfel. Dann will Bauministerin Geywitz mit Branchenvertretern nach Lösungen für die vielen Probleme suchen.
Mit ihrer Aussage, sie sehe keinen Niedergang auf die Bauwirtschaft zukommen, löst Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) bei manchem in der Branche Kopfschütteln aus. Die Stimmung ist düster, weil jeden Tag neue Hiobsbotschaften kommen – und man wird das Gefühl nicht los, dass die Wohnungslücke in Deutschland immer größer wird. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres sind die Baugenehmigungen um ein Viertel eingebrochen; allein im Juli waren es rund 31 Prozent weniger als im gleichen Vorjahresmonat. „Einer der wesentlichen Indikatoren für die Baukonjunktur erreicht einen neuen Tiefpunkt“, sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes.
Sinkende Genehmigungszahlen, Projektentwickler, die kollabieren, hohe Baukosten und stark gestiegene Zinsen – das klingt wenig hoffnungsvoll. In der Situation ist es wenig überraschend, wenn der Chef des größten deutschen Wohnungskonzerns verkündet, dass das Unternehmen zwar jede Menge Wohnungen bauen könne, das aber wegen der hohen Kosten derzeit nicht umsetze. „Bei uns liegen Planungen für insgesamt 60.000 Wohnungen in der Schublade“, hat Vonovia-Chef Rolf Buch der „WAZ“ gesagt. Aber alles, was bisher nicht über das Planungsstadium hinausgekommen ist, liegt auf Eis. Nur bereits begonnene Bauten werden fertiggestellt.
Das jetzt wieder von Rolf Buch angesprochene Potenzial von 60.000 Wohnungen, die Vonovia bundesweit bauen könnte, ist langfristig auf mehrere Jahre gedacht. Bei der Zahl 60.000 gehe es um Projekte in unterschiedlichen Planungsstadien, so das Unternehmen. „Diese Projekte entwickelt unsere Development-Abteilung konsequent weiter, sodass wir darauf zurückgreifen können, sobald sich die Marktbedingungen verbessert haben“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion.
Es bleibt die Ungewissheit. Nachdem Vonovia bereits Anfang Februar den Stopp aller Neubauprojekte für das laufende Jahr verkündet hatte, kann vermutlich niemand ausschließen, dass die Gefahr auch für 2024 bestehen könnte. „Wir machen alles fertig bis zum Baurecht. Und hoffen, dass sich Bauen bald wieder lohnt und rechnet. Dann wollen wir sofort wieder bauen“, sagte Buch.
Die Dramatik solcher Aussagen steckt weniger in den absoluten Zahlen. Denn die 60.000 Wohnungen sind ja keine Planung für das laufende Jahr, sondern eine für einen nicht fix bestimmten Zeitraum. „Im Jahr 2021 haben wir 2200 Wohnungen neugebaut, im Jahr 2022 waren es 3749. Im laufenden Jahr werden es etwa 3500 sein“, so die Sprecherin des Konzerns.
Daran kann man ermessen, dass es viele Jahre dauern würde, bis 60.000 Wohnungen fertiggestellt wären – ungeachtet möglicher Tempoverschärfungen oder -verzögerungen, sobald sich die Voraussetzungen beim Bauen ändern sollten.
Buchs Aussage impliziert auch die Ungewissheit darüber, wie man Wohnen, Bauen und Kaufen wieder für große Kreise der Bevölkerung bezahlbarer und gleichzeitig attraktiv für Bauträger sowie Investoren macht. Derzeit ist die Kluft beispielsweise zwischen den Baukosten und den Mietpreisen tief, die Unternehmen wie Vonovia nach eigenen Angaben verlangen müssten, um profitabel bauen zu können. Wenn die These stimmt, dass man bei aktuellen Baukosten um die 5000 Euro pro Quadratmeter 20 Euro Miete pro Quadratmeter verlangen müsste, lässt sich leicht nachvollziehen, wie klein der Kreis derer ist, die das bezahlen könnten. Der durchschnittliche Vonovia-Mieter gehört vermutlich nicht zu dieser Klientel. Genauso groß ist die Kluft zwischen dem Geld, was Menschen für den Bau oder Kauf eines Hauses aufbringen könnten, und dem, was sie dafür gegenwärtig bezahlen müssen.
Beides dürfte am kommenden Montag auch ein Thema beim Baugipfel sein, den die zuständige Ministerin Geywitz einberufen hat. Vor dem Treffen werden wieder einmal Rufe nach verbilligten Krediten der bundeseigenen Förderbank KfW und nach einer Senkung der Grunderwerbsteuer laut.
Damit ließe sich womöglich die Not beim Bau von Eigenheimen lindern, aber die Probleme bei den Mietwohnungen blieben. Ob man nun die 400.000 neuen Wohnungen nimmt, die die Regierung als jährliches Ziel ausgerufen hat, oder die 700.000, die Vonovia-Chef Buch für notwendig hält – beides erscheint aktuell nicht erreichbar. Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katharina Dröge forderte Schritte der Koalition gegen steigende Mieten. Vorsorglich hatte sie schon einmal darauf hingewiesen, dass der Wohnungsbaugipfel auch ein „Mietengipfel“ werden müsse.