Frankfurt BASF hat wieder einen Chemiker als Chef

Frankfurt · Der Naturwissenschaftler Martin Brudermüller rückt vom Vize-Posten an die Spitze des weltweit größten Chemiekonzerns.

Eigentlich wollte er Chirurg werden. "Ich arbeite gern mit meinen Händen", sagt Martin Brudermüller. Der Manager, der seit gestern Chef des weltgrößten Chemiekonzerns BASF ist, studierte dann aber doch lieber Chemie. Denn im Gespräch mit Ärzten erfuhr er rechtzeitig, dass diese Verbindung von Wissenschaft und Handwerk, die ihn so am Chirurgenberuf fasziniert hatte, im Alltag nur etwa ein Viertel der eigentlichen Arbeit ausmacht. "Das war für mich nicht das richtige, denn ich bin gelegentlich ungeduldig", sagt der gebürtige Stuttgarter.

So tritt nun nach dem Betriebswirt Kurt Bock wieder ein Naturwissenschaftler an die Spitze des Ludwigshafener Konzerns. Geduld hatte er zwischenzeitlich beweisen müssen, denn schon 2011, zum Ende der Amtszeit von Jürgen Hambrecht, war auch Brudermüller als Nachfolger gehandelt worden, damals wurde er "nur" Stellvertreter.

War er damals enttäuscht? "Wenn ich wirklich frustriert gewesen wäre, wäre ich heute nicht mehr da", sagt er. Dass der 56-Jährige dann doch noch eine Chance bekam, liegt daran, dass Kurt Bock seinen Vertrag bis Mai 2021 nicht erfüllt. Er soll 2020 an die Spitze des Aufsichtsrats treten, zuvor ist jedoch eine Abkühlungsperiode von zwei Jahren vorgesehen, damit er etwas mehr Distanz zur operativen Arbeit gewinnen kann. So kann Brudermüller doch noch Chef werden - 2021 wäre es mit dann 59 Jahren für ihn wohl zu spät gewesen. Dann wäre er nur ein "Interimschef" geworden. Das aber wollte BASF, das wollte offenbar auch Aufsichtsratschef Jürgen Hambrecht gern vermeiden. So aber passt es perfekt: Wenn Hambrecht 2020 mit 73 Jahren abtritt, folgt ihm Bock nach.

Der Westfale Bock führte das Unternehmen eher nüchtern, vermochte in der Öffentlichkeit nicht so mitzureißen wie Brudermüller das kann. "Ich bin ein emotionaler Mensch", sagt er. Und Bock und er hätten komplementär gearbeitet. Eine völlig neue Strategie werde es mit ihm nicht geben: "Bedenken Sie, dass ich elf Jahre schon im Vorstand bin. Alles, was die BASF bisher gemacht hat, trage ich mit", sagt er, fügt aber hinzu: "Dass ich vielleicht andere Schwerpunkte setze, dass ich einen anderen Blickwinkel habe, ist ja natürlich."

Brudermüller dürfte bemüht sein, den Konzern schneller und agiler zu machen. Zwar hat sich die BASF in den vergangenen Jahren schon gewandelt: Unter Bock ist sie aus diversen Geschäftsfeldern ausgestiegen, gleichzeitig wird jetzt der Pflanzenschutz ausgebaut, das Öl- und Gasgeschäft, das lange Jahre wegen des hohen Ölpreises verlässliche Gewinne brachte, wird mit Dea zusammengeführt und soll mittelfristig an die Börse geführt werden. Die Chemie- und Agrarchemiesparten werden dafür ausgebaut. So kauft BASF das globale Polyamid-Geschäft des belgischen Konkurrenten Solvay für 1,6 Milliarden Euro. Bei der großen Branchen-Konsolidierung der letzten Jahre aber blieben die Ludwigshafener weitgehend außen vor: Da sei man sehr rational vorgegangen, verteidigt Brudermüller diese von Investoren auch "defensiv" genannte Strategie. Viele Unternehmen, für die man sich vielleicht auch interessiert habe, seien einfach zu teuer gewesen. Tatsächlich zahlt sich die Zurückhaltung jetzt aus: Denn die Ludwigshafener werden zum Nutznießer der Übernahme von Monsanto durch Bayer. Von den Leverkusenern übernimmt BASF große Teile des Saatgutgeschäfts und wird damit auf einen Schlag ein bedeutender Spieler auf diesem Markt.

Unter Brudermüller werden Innovationen noch stärker vorangetrieben. Er ist jetzt schon im Vorstand auch für Technologie zuständig, das wird er auch als Vorstandschef bleiben. Wenn der neue Chef vom Supercomputer "Quriosity" spricht, den BASF im vergangenen Herbst gestartet hatte, merkt man die Euphorie schnell: "Der begeistert mich total", sagt Brudermüller. Damit werde man die Entwicklung beschleunigen.

Brudermüller ist seinem Ziehvater Hambrecht in vielem ähnlich, beide sind gebürtige Schwaben mit ähnlichem Temperament, beide dynamisch, beide Naturwissenschaftler, beide haben lange Jahre ihres Berufslebens in Asien verbracht, waren Sprecher des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. Asien beobachtet er weiter mit großem Interesse: "Wie schnell gerade China nach vorn gekommen ist, das ist atemberaubend", sagt er. Vor drei Jahren ist er zurückgekommen nach Ludwigshafen. "Da fragt man sich doch, ob wir in Westeuropa alle Prioritäten richtig gesetzt haben."

(RP)
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