Frankfurt Banken sollen Strafzinsen zahlen
Frankfurt · Banken in Südeuropa parken Milliarden bei der Europäische Zentralbank anstatt sie zu verleihen. Um das zu ändern, will die EZB nun negative Zinsen nehmen. Bundesbank-Präsident Weidmann signalisiert erstmals Zustimmung.
Verkehrte Welt: Normalerweise bekommen Banken und Sparkassen Zinsen, wenn sie ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) anlegen. Nun aber erwägt die EZB, von den Instituten Strafzinsen dafür zu nehmen, dass sie Geld bei ihr parken dürfen. Erstmals hat Bundesbank-Präsident Jens Weidmann Sympathie für solche "negativen Zinsen" gezeigt. Ein Strafzins für Banken-Einlagen könnte "unter anderem den Geldmarkt zwischen den Banken beleben und damit auch die Kreditvergabe an Unternehmen anregen", sagte Weidmann der "Süddeutschen Zeitung". Wenn es nötig sein sollte zu handeln, falle der Blick auf die Zinspolitik.
Wie sieht ein negativer Zins aus?
Seit langem wird spekuliert, der EZB-Rat könne auf seiner Sitzung im Juni einen negativen Einlage-Zinssatz von 0,1 Prozent festlegen. Das würde bedeuten, dass eine Bank, die 100 000 Euro bei der EZB einzahlt, 100 Euro an Strafzinsen entrichten muss. Derzeit müssen Banken weder zahlen noch bekommen sie etwas, ihr Einlagezins bei der EZB beträgt null Prozent.
Was soll der Strafzins bewirken?
Mit der Einführung eines negativen Zinses will die EZB Druck auf die Geschäftsbanken insbesondere in den südeuropäischen Ländern ausüben. Diese horten ihr Geld in ihren Tresoren beziehungsweise bei der Europäischen Zentralbank anstatt es an Unternehmen und Verbraucher in Form von günstigen Krediten zu verleihen. Damit tragen die Banken Südeuropas zur Konsum- und Investitionsschwäche und damit zur langen Rezession in Ländern wie Griechenland bei. Indem die EZB nun Strafzinsen verhängt, will sie die Banken anregen, mehr Kredite zu vergeben. Andere Mittel hat sie auch kaum noch: Der Leitzins, zu dem sich Banken wiederum Geld von der EZB leihen können, liegt bereits bei 0,25 Prozent.
Sind Strafzinsen mit dem Mandat der EZB zu vereinbaren?
Anders als die amerikanische Notenbank Fed ist die Europäische Zentralbank primär dem Ziel verpflichtet, für Preisstabilität zu sorgen. Ausdrücklich verboten ist es ihr, direkte Staatsfinanzierung zu betreiben. Deshalb wehrt sich Weidmann seit Jahren gegen Pläne von EZB-Präsident Mario Draghi, notfalls Anleihen von Krisenstaaten aufzukaufen. Draghi hält dies dagegen für gerechtfertigt, wenn dies der Rettung des Euro dient. Bei Strafzinsen sind sich Weidmann und Draghi dagegen einig: Diese könnten tatsächlich für mehr Preisstabilität zu sorgen. Die Preisstabilität ist derzeit nämlich nicht wegen drohender Inflation, sondern wegen Deflation in Gefahr. Im April war die Preissteigerungs-Rate auf 0,7 Prozent gefallen, das ist weit vom EZB-Zielwert von zwei Prozent entfernt. Wenn nun dank neuer Kredite die Güternachfrage in den Krisenländern zulegt, würden auch Preise und Inflationsrate auf das gewünschte Maß steigen, so das Kalkül der EZB.
Was sind die Gefahren?
Weidmann selbst warnte, Risiken und Nebenwirkungen im Blick zu behalten, zumal die EZB sich auf unbekanntes Terrain begeben würde. Wie so oft macht die Dosis das Gift: Wenn die EZB mit Strafzinsen eine neue Kreditblase in Südeuropa auslöst, sich Betriebe und Private über die Maßen verschulden, könnte das zu einer neuen Banken-Krise führen. Daher kann eine Strafzinspolitik auch nur in Kombination mit einer scharfen Bankenaufsicht funktionieren. Diese soll im Herbst in der Euro-Zone starten.