Analyse Banken reden sich den Stresstest schön
Düsseldorf · Die Deutsche Bank und die Commerzbank würden im Krisenfall nur knapp die Kapitalwünsche der europäischen Bankenaufsicht erfüllen. Dennoch werten sie das Ergebnis als Erfolg. Dabei behandelt der Test wichtige Fragen gar nicht.
Wer nur die Mitteilung der Deutschen Bank vom späten Freitagabend liest, könnte denken, dass das Kreditinstitut den Stresstest mit Glanz und Gloria absolviert hat. "Der Stresstest zeigt, dass die Bank auch für härtere Zeiten gewappnet ist", sagte Vorstandschef John Cryan. Von Stressresistenz war auch bei der Commerzbank die Rede. Motto: Es ist alles gut, wir haben alles im Griff.
Tatsächlich reden sich die beiden größten deutschen Banken mit solchen Formulierungen die Ergebnisse des Stresstests schön. Die Fakten: Die Nummer eins und die Nummer zwei des Landes stehen bei der Frage, wie hoch die harte Kernkapitalquote im Krisenfall wäre, im letzten Fünftel der Tabelle derer, die untersucht worden sind. Und sie sind bei Quoten von weniger als acht Prozent der Grenze, bei der die europäischen Aufsichtsbehörden Alarm schlagen würden (sieben Prozent), gefährlich nahegekommen.
Die harte Kernkapitalquote bemisst das Verhältnis von Eigenkapital zu den Risiken, die in einer Bankbilanz vorhanden ist. Je kleiner die Kennziffer, umso geringer das Eigenkapital und/oder desto größer die Risiken. Wer hier etwas ändern will, braucht also mehr Eigenkapital, oder er muss seine Risiken herunterfahren.
Das heißt in den Fällen Deutsche Bank und Commerzbank nicht, dass beide in akuter Not wären und adhoc handeln müssten. Nicht unmittelbar nach einem Test, bei dem die Aufsicht ohnehin anders als vor zwei Jahren niemandem das Etikett "Durchgefallen" aufgeklebt hat, selbst wenn er wie die italienische Krisenbank Monte dei Paschi im Krisenszenario gar kein Kapital mehr übrig gehabt hätte, ja sogar eine Finanzspritze gebraucht hätte, um wenigstens wieder auf Null zu kommen.
Aber so weitermachen wie bisher können auch viele andere nicht. Die Branche macht tiefgreifende Umwälzungen durch. Die dauerhafte Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat eine der bisherigen Ertragsquellen, den Zinsüberschuss, gnadenlos ausgetrocknet. Das Investmentbanking, das hat die Finanzkrise gezeigt, birgt zu viele Risiken, als dass ein Geldhaus noch gewillt ist, zu große Teile des Kapitals in diesem Geschäftsfeld zu binden. Europas Aufseher haben regulatorische Schranken eingezogen, die hohe Kosten verschlingen, der Zwang zur Digitalisierung löst noch mehr Aufwendungen aus und zwingt die Institute zu noch stärkerem Sparen. Wer sich dann auch noch wie die Deutsche Bank in Rechtsstreitigkeiten mit Milliardenlasten verheddert hat, für den könnte es irgendwann eng werden.
Aber alle diese Risikofaktoren sind im aktuellen Stresstest überhaupt nicht abgefragt worden. Stattdessen wurde dort das Szenario einer raschen Zinssteigerung entwickelt, die ungefähr so wahrscheinlich ist wie die Wiederauferstehung der WestLB oder die Übernahme der Deutschen Bank durch die Sparkasse Hintertupfingen. Die wahren Probleme stellen sich erst noch in der entsprechenden Zukunftsausrichtung einer Bank, und das hat insofern etwas mit dem Stresstest zu tun, als ohne zukunftsträchtiges Geschäftsmodell nicht die Erträge entstehen können, die man fürs Aufpeppen des Eigenkapitals braucht.
Aber Erträge sind nur die eine Seite. Die andere sind die Kosten, und diese müssen die Banken in den kommenden Jahren noch viel stärker senken als bisher praktiziert. Europas Aufsicht wird ihnen noch stärker auf die Finger schauen müssen. Ein Radikalschnitt wie in den USA mit harten Eingriffen und Zwangskapitalisierungen mag erschrecken. Aber für die Kreditwirtschaft ist das besser als staatliche Protektionismus-Ideen à la Italien, bei denen Europas Steuerzahler irgendwann Gefahr läuft, doch wieder für die Sünden der Banken bluten zu müssen.