Industriekonzern in der Krise Aufsichtsrat stimmt für Thyssenkrupp-Umbau

Essen · Konzernchef Guido Kerkhoff bekommt Rückendeckung von Anteilseignern und Arbeitnehmern für seinen radikalen Strategieschwenk. Die Hoffnungen ruhen auf dem Börsengang der Aufzugsparte. Doch die Märkte sind nervös.

 Guido Kerkhoff, Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp, steht bei der Hauptversammlung zwischen Ursula Gather (l.), Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung, und Aufsichtsratschefin Martina Merz.

Guido Kerkhoff, Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp, steht bei der Hauptversammlung zwischen Ursula Gather (l.), Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung, und Aufsichtsratschefin Martina Merz.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Alles andere als ein Abstimmungserfolg wäre für Guido Kerkhoff eine Katastrophe gewesen. Der Thyssenkrupp-Chef hatte am 10. Mai überraschend die zweite Strategie-Kehrtwende innerhalb weniger Monate vollzogen, am Dienstag holte er sich dafür die einstimmige Unterstützung im Aufsichtsrat.

Die Zustimmung des Kontrollgremiums war erwartet worden. Immerhin hatte zwei Tage nach Bekanntgabe des Kursschwenks bereits der mächtige Strategieausschuss für Kerkhoffs Pläne gestimmt. Dem gehören neben Chefkontrolleurin Martina Merz auch Vertreter der beiden größten Einzelaktionäre an: die Chefin der Krupp-Stiftung, Ursula Gather, sowie der Vertreter des aktivistischen Investors Cevian, Jens Tischendorf. Und auch die Arbeitnehmerbank ist mit Markus Grolms (IG Metall) und Dirk Sievers (Thyssenkrupp-Konzernbetriebsratschef) prominent vertreten. „Wir als Aufsichtsrat sind überzeugt davon, dass der Vorstand mit der neuen Strategie den richtigen Weg eingeschlagen hat. Damit werden wir den Interessen von Mitarbeitern, Kunden und Aktionären gleichermaßen gerecht“, erklärte Merz nach der Sitzung.

Kerkhoff hatte am 10. Mai die Aufspaltung des Konzerns in ein Werkstoff- und ein Industriegüterunternehmen abgeblasen. Begründet hatte er diesen Schritt mit der sich abzeichnenden Untersagung der Fusion des Stahlgeschäftes mit Tata Steel Europe durch die EU-Kommission. Außerdem nannte er die konjunkturelle Eintrübung und ein deutlich höheres Bußgeld aus einem Kartellverfahren im Bereich Grobbleche. Der Aktienkurs war bis Anfang Mai auf knapp über elf Euro abgestürzt – in den Hochzeiten 2007 hatten die Papiere der Essener bei knapp 45 Euro gelegen.

Kerkhoff will den Konzern nun in eine schlankere Holding umbauen. Ganz so, wie es bereits Siemens vorgemacht hat. Um den dank seiner gescheiterten Stahl-Abenteuern in Nord- und Südamerika finanziell extrem geschwächten Konzern wieder handlungsfähig zu machen, will Kerkhoff die Ertragsperle des Konzerns, die Aufzugsparte an die Börse bringen.

Der Ruhrkonzern hatte das Geschäft einst gekauft, um dem konjunkturanfälligen Stahl eine stabile Sparte entgegenzusetzen. Dass Thyssenkrupp das Aufzugsgeschäft nun ins Schaufenster stellt, ist nicht nur Folge des Milliardendesasters in Brasilien und den USA. Durch das Platzen des Stahldeals mit Tata muss der Konzern nun auch noch Milliarden an Pensionsverpflichtungen zurücknehmen.

Und die Sorgen wird auch der Elevator-Verkauf nur zum Teil lindern können. Branchenkenner rechnen so: Das Aufzuggeschäft wird mit rund 14 Milliarden Euro bewertet, Thyssenkrupp könnte knapp die Hälfte für sieben Milliarden an die Börse bringen wollen. Allerdings werde man angesichts der nervösen Börsen im ersten Schlag kaum mehr als vier Milliarden platzieren können. Parallel zu einem Börsengang bereitet Thyssenkrupp auch einen Verkauf vor. Die Konkurrenten aus Finnland (Kone)  und der Schweiz (Schindler) gelten seit Langem als interessiert an Elevator. Doch auch sie haben nicht Geld wie Heu. Möglich sei, dass etwa Kone neben Bargeld auch eigene Aktien anbieten würde. Auch das würde Thyssenkrupp nur bedingt helfen.

Thyssenkrupp-Chef Kerkhoff kündigte an, er werde im August 2019 mit der Bekanntgabe der Zahlen für das dritte Quartal weitere Details zur strategischen Neuausrichtung bekannt geben. Auch Gespräche mit den Arbeitnehmern – etwa zur Zukunft des Stahlgeschäfts – sollen zügig aufgenommen werden. Dort sollen 2000 der 6000 abzubauenden Stellen wegfallen.

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