Düsseldorf Aufschwung in Deutschland bleibt stabil

Düsseldorf · Die deutsche Wirtschaft wächst moderat - und das im fünften Jahr. Aber es bleibt die Unsicherheit über die Folgen der amerikanischen Wirtschaftspolitik und des EU-Austritts der Briten. Und die Forderung nach Entlastung der Bürger.

Düsseldorf: Aufschwung in Deutschland bleibt stabil
Foto: Ferl

Rund 19 Milliarden Euro Überschuss stecken in diesem Jahr in den Kassen von Bund und Ländern. Bei solchen Zahlen kommen reflexartig Forderungen nach einer steuerlichen Entlastung der Bürger. Jene, die das verlangen, bekommen jetzt Zuspruch aus dem Frühjahrsgutachten der fünf führenden deutschen Forschungsinstitute. "Es ist höchste Zeit, dass die Wirtschaftspolitik stärker an der langen Frist ausgerichtet wird, den Anstieg der Abgabenbelastung begrenzt und durch Umschichtungen im Haushalt die investiven Ausgaben, vor allem im Bildungsbereich, stärkt", erklären die Forscher in ihrem Gutachten. Sie leiten das unter anderem daraus ab, dass die Abgabenbelastung in Deutschland, mittlerweile auf mehr als 40 Prozent gestiegen, weiter zunehmen und "die Alterung der Gesellschaft die Rentenversicherungsbeiträge in die Höhe treiben" werde.

Wie man das korrigiert: "Kurzfristig beispielsweise über eine Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, dauerhaft dadurch, dass man die Sozialsysteme demografiefest macht", sagt Roland Döhrn, Konjunkturchef des RWI - Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI, Essen). Dazu müsse man über neue Lebensarbeitszeitmodelle nachdenken und das Gesundheitssystem effizienter gestalten. Die Forderung des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, die Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld I auf bis zu vier Jahre zu verlängern, nennt Döhrn "kontraproduktiv".

Auch vom Industrieverband BDI kommt ein Appell an die Politik. Hauptgeschäftsführer Joachim Lang sagte, die deutsche Konjunktur zeige sich momentan in guter Verfassung. Aber: "Es ist angesichts weltweiter wirtschaftlicher Risiken unklar, wie nachhaltig und robust die Konjunktur ist." Es sei notwendig, den Standort Deutschland mit besseren Bedingungen für private Investitionen und einer kontinuierlichen Stärkung öffentlicher Investitionen voranzubringen.

Düsseldorf: Aufschwung in Deutschland bleibt stabil
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Die Momentaufnahme ist indes gut. "Moderates Wachstum" heißt der Befund der Forscher, und der gilt nun schon im fünften Jahr. Die Institute haben ihre Wachstumsprognose für 2017 um 0,1 Punkte auf 1,5 Prozent erhöht. Für das kommende Jahr beträgt die Voraussage nun 1,8 Prozent. Rechnet man die drei Arbeitstage ein, die in diesem Jahr gegenüber 2016 fehlen, würde die Wachstumsschätzung auch für 2017 bei 1,8 Prozent liegen.

Dass es derzeit nicht stärker nach oben geht, liegt auch daran, dass der Konsum die Stütze des Aufschwungs ist, und der ist wenig schwankungsanfällig. Die Investitionen der Firmen seien bisher nur verhalten gewachsen, heißt es im Gutachten. Das dürfte sich ändern. Die Exporte würden zulegen, auch dank des schwachen Euro, während die Dynamik beim Wachstum der privaten Konsumausgaben nachlasse. Die Inflation werde von 0,5 Prozent 2016 auf 1,8 Prozent in diesem Jahr klettern und so die Kaufkraft der Verbraucher verringern, heißt es. Dafür dürfte die Zahl der Erwerbstätigen bis 2018 um eine Million auf 44,56 Millionen steigen. In den USA erwarten die Forscher 2017 weitere Zinserhöhungen, in der Euro-Zone noch keine.

Andere Dinge bleiben unkalkulierbar - die Risiken, die die Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump langfristig impliziert, und Verwerfungen nach dem EU-Austritt Großbritanniens. Dazu kommt die Furcht vor den möglichen Folgen eines Sieges von Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich.

Kurzfristig birgt Trumps Wirtschaftskurs aber auch Chancen. Steuererleichterungen für die US-Unternehmen könnten der Weltwirtschaft zugute kommen, glaubt RWI-Konjunkturchef Döhrn. Lähmende Auswirkungen sind frühestens 2019 zu befürchten.

(RP)
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