Emmerich Auf leisen Pfoten

Emmerich · Durch geschickte Werbung hat es Katjes zu einiger Berühmtheit gebracht- über das eigene Geschäft schweigt man lieber. Dabei gibt es Interessantes zu erfahren.

Der Name passt zum Auftritt: Katjes (niederländisch für Kätzchen), einer der Marktführer für Fruchtgummis und Lakritz aus Emmerich, ist seit einigen Monaten - leise und mit sanften Pfoten - Teil einer Aktion im Kreis Kleve zur Integration von Flüchtlingen. Weil mehrere Hundert von ihnen keine Chance hatten, an Sprachkursen teilzunehmen, gab es Anfang 2016 den Zusammenschluss einiger Firmen, der örtlichen Industrie- und Handelskammer und dem Arbeitsamt, um effiziente Hilfe zu organisieren. Mitten drin: Katjes.

Fast alle Deutschen kennen die Marke: Fruchtgummi, herbes Lakritz, seit einiger Zeit auch Ahoi-Brause und andere mehr oder weniger süße (oder saure) Leckereien produziert das Unternehmen mit 500 Mitarbeitern, das manche - angelehnt an das berühmte Lakritz - auch den schwarzen Riesen vom Niederrhein nennen.

Nun hat dieser Riese mit dem niedlichen Namen entschieden, bei der Lösung von Problemen bei der Integration von entwurzelten Menschen aus Syrien, Afghanistan, Irak oder anderen Krisenregionen mitzuhelfen. Dem Stil der Firma entsprechend tut man Gutes, spricht aber nur ungern darüber. Katjes-Chef Bastian Fassin (45) äußert sich sehr zurückhaltend zum Familienunternehmen - 60 Prozent gehören ihm, 30 seinem Vater Klaus (86), zehn dem geschäftsführenden Gesellschafter Tobias Bachmüller (59). Aber das Flüchtlingsprojekt "Gemeinsame Integration" liegt ihm offensichtlich am Herzen, also erzählt er ausnahmsweise davon: "Als wir uns zusammen gesetzt haben, konnten die familiengeführten Häuser natürlich schneller entscheiden, ob wir was machen, und was wir machen", sagt er und lobt die Initiative im Kreis und die Hilfe der offiziellen Stellen.

Und Katjes tut eine Menge. Man organisiert Sprachkurse, bei denen die eigenen Mitarbeiter als Lehrer agieren. Das sei zu Beginn mit Skepsis gesehen worden, aber inzwischen laufe das sehr gut, heißt es in der Firmenleitung. Weil man aufgrund der Rechtslage keine Flüchtlinge anstellen, aber Praktika anbieten dürfe, zeige man halt auf diesem Weg den Menschen, wie deutsche Unternehmen arbeiten und warum sie das tun. Ein erstes konkretes Ergebnis gibt es bereits: Ab dem Sommer wird mit Shaikh Salahuddin ein Flüchtling aus Bangladesh zum Süßwarentechniker ausgebildet. Eine Investition in die Zukunft also.

Das ist typisch für Katjes, das wird schnell klar, wenn man mit Leuten spricht, die das Unternehmen gut kennen. Sogar bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), deren Branche ja nicht unbedingt als Arbeitnehmer-Paradies gilt, gibt es lobende Worte. "Katjes lebt noch die Werte eines Familienunternehmens", sagt Hans-Jürgen Hufer, Geschäftsführer der NGG Nordrhein: "Die Arbeitnehmer fühlen sich dort wohl. 40 bis 45 Jahre Beschäftigungszeit sind bei Katjes keine Seltenheit." Der Tarifvertrag werde eingehalten, es gebe sogar zusätzliche Sozialleistungen. Nachwuchs bei Mitarbeitern wird beispielsweise mit 1500 Euro Startkapital begrüßt. Auch der Betriebsrat lobt das Verhältnis zur Geschäftsführung. Einige Mitarbeiter gehen sogar mit Chef Fassin zusammen beim Emmericher Firmenlauf an den Start.

Wenn es ums Geschäft geht, zeigt das 1950 gegründete Unternehmen aber auch gerne mal die Krallen: Speziell mit dem Konkurrenten Haribo traf man sich manches Mal vor Gericht. Mal wollte Katjes verbieten, dass die Bonner die Bezeichnung "Yoghurt Gum" verwenden, mal stritt man darüber, ob auf eine Packung Lakritz der Spruch "Haribo macht Kinder froh" gedruckt werden darf - obwohl die Lakritz nur für Erwachsene waren.

Dass die beiden Konkurrenten auch anders können, zeigte sich hingegen vor einigen Jahren, als das Bundeskartellamt Bußgelder wegen des verbotenen Austauschs von Informationen verhängte. Bei Sitzungen eines Arbeitskreises des Bundesverbandes der Süßwarenhersteller, so der Vorwurf, hätten sich Firmen wie Haribo und Katjes gegenseitig etwa über Rabattforderungen der Einzelhändler informiert. Den Beziehungen zum Handel hat es dauerhaft nicht geschadet - Katjes sei eine der stärksten Marken in der Süßwarenbranche, heißt es in Handelskreisen, auf so jemanden verzichtet kein Supermarkt gerne.

Um sich von Produkten der Konkurrenz abzuheben, sind die Emmericher früh ungewöhnliche Wege gegangen. Ihre Produkte sind komplett vegetarisch - und sie dürften sich sogar vegan nennen, wenn es da nicht diese Ausnahme gäbe: Für eine bei manchen Fruchtgummis äußerlich verwendete Emulsion nutzt man Bienenhonig. Der wäre zwar ersetzbar durch ein Produkt auf Basis von Palmöl. Da das aber zu Lasten des Regenwaldes gewonnen wird, hat man darauf verzichtet und bleibt beim Honig.

Auch im Unternehmen achtet man auf Nachhaltigkeit: Für die Mitarbeiter gibt es vergünstigte Fahrräder, man reduzierte den Energie- und Wasserverbrauch, hat E-Autos für die Firmenflotte angeschafft und selbst der Bericht über die Nachhaltigkeit mit dem Titel "Mission Grün-Ohr" ist auf Spezialpapier gedruckt, das Blumensamen enthält. Wer den Bericht in ein Beet steckt und gießt, kann sich später an den Blumen erfreuen. Nachhaltigkeit in Reinform, sozusagen.

Dass diese Strategie am Ende auch in den Köpfen der Kunden angekommen ist, hängt mit der zweiten Stärke von Katjes zusammen: Dem geschickten Marketing. Während Konkurrent Haribo auf den blond gelockten Thomas Gottschalk setzte, zeigten die Niederrheiner lieber die Füße eines Topmodels: Als Heidi Klum sich seinerzeit sehr telegen die Fußnägel lackierte und Fruchtgummis von Katjes ("Jes, jes, jes") als Abstandshalter zwischen den Zehen nutzte, stieg der Umsatz in kürzester Zeit zweistellig.

Welche Höhen er inzwischen erklommen hat - wer weiß das schon. Die Zahl von 300 Millionen Euro ist in der Branche zu hören, inklusive internationalem Geschäft, versteht sich. Bachmüller und Fassin könnten Licht ins Dunkel bringen - aber auch bei diesem Thema gibt man sich lieber verschwiegen.

Klar ist: Der Süßwaren-Markt ist eigentlich gesättigt. Wer in Zukunft weiter wachsen will, muss das durch Zukäufe tun. Auch die Katjes-Gruppe, die aus Katjes Deutschland, Katjes International und Katjesgreenfood besteht, hat in den vergangenen Jahren einige Marken hinzugekauft. Mit Katjesgreenfood investierte man zuletzt auch verstärkt in Start-ups, die innovative Lebensmittel wie Hanf- und Kaffeefrucht-Limonaden herstellen. Ein Kriterium für den Kauf ist, natürlich, die Nachhaltigkeit.

(RP)
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