Was Urlauber wissen müssen Auf Mallorca werden die Geldautomaten knapp

Mallorca · Auf der Mittelmeerinsel Mallorca schließen Bankhäuser immer mehr Filialen. Das hat auch Folgen für die Versorgung mit Bargeld. In einigen Ortschaften finden sich keine Geldautomaten mehr. Lokalpolitiker sind sauer.

Auf Mallorca schließen immer mehr Bankfilialen. Dadurch mangelt es auch an Geldautomaten.

Auf Mallorca schließen immer mehr Bankfilialen. Dadurch mangelt es auch an Geldautomaten.

Foto: Imago

Lluís Apesteguia hat die Nase voll: Es sei eine Schande, dass es in seinem Dorf keine Bankfiliale mehr gebe. Apesteguia ist der Bürgermeister des bekannten mallorquinischen Künstlerortes Deià – ein beliebtes Ausflugsziel im Tramuntana-Gebirge, das jedes Jahr von unzähligen Mallorca-Touristen besucht wird.

Doch auch diese Berühmtheit Deiàs konnte nicht verhindern, dass nun die letzte Bankfiliale und damit auch der letzte Geldautomat aus dem malerischen Ort verschwand.

Bürgermeister Apesteguia forderte die Bürger auf, sich dies nicht gefallen zu lassen. In einem zornigen offenen Brief, den er an die Einwohner schickte, warf er den Banken „unzulässige Praktiken“ vor. Während der großen Bankenkrise vor über einem Jahrzehnt seien die Geldinstitute mit Steuergeldern gerettet worden. Und nun würden sie trotzdem die Belegschaften verringern, Filialen schließen und für jede Dienstleistung Gebühren erheben.

In Deià sind knapp 700 Einwohner offiziell registriert. Hinzu gesellen sich allerdings nicht wenige ausländische Teilzeit-Residenten, die nicht offiziell gemeldet sind. Zudem gibt es mehr als 1000 Touristenbetten. Und jedes Jahr kommen Hunderttausende Tagesbesucher in das pittoreske Dorf, das inmitten des Tramuntana-Gebirges liegt – in einer Landschaft, die wegen ihres Natur- und Kulturreichtums zum Unesco-Welterbe gehört.

Doch Bewohner und Touristen haben nun keine Möglichkeit mehr, in Deià Bargeld abzuheben. Und die Geschäftsleute und Hoteliers des Ortes, der praktisch ausschließlich vom Tourismus lebt, können ihre Bareinnahmen nicht mehr direkt in Deià auf ihr Konto einzahlen.

„Die Filialschließung schädigt Unternehmen und Privatpersonen“, erklärt verärgert Bürgermeister Apesteguia von der ökosozialistischen Inselpartei Més per Mallorca (Mehr für Mallorca) in seinem Brandbrief.

Dieses Vorgehen sei ein Beispiel für die Auswüchse des Kapitalismus. „Dieser handelt nicht im Interesse der Menschen, sondern im Interesse einer Minderheit, die immer mehr Geld anhäuft – ohne die Bedürfnisse der normalen Leute und der kleinen Gemeinden zu berücksichtigen.“

Bewohner und Urlauber in Deià, die nun Bargeldgeschäfte oder andere Bankdienstleistungen am Schalter erledigen wollen, müssen nun in die ebenfalls sehr touristischen und größeren Nachbarorte Sóller oder Valldemossa fahren. Beide sind rund elf Kilometer entfernt. Und beide sind nur über eine sehr kurvenreiche Bergstraße zu erreichen.

Das sei besonders für ältere Bürger, die zum Beispiel ihre monatliche Rente abheben wollten, ein großes Problem, heißt es im Rathaus. Erst recht, wenn sie kein Auto haben und auf den Bus angewiesen sind, der zum Beispiel zwischen Deià und Soller nur alle ein bis zwei Stunden verkehrt.

Deià ist kein Einzelfall in Spanien. Und schon gar nicht auf der spanischen Mittelmeerinsel Mallorca. In vielen anderen Inseldörfern stehen die Einwohner ebenfalls vor geschlossenen Bankschaltern.

Deswegen rief Deiàs Bürgermeister Apesteguia die betroffenen Gemeinden auf, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam gegen das Filialsterben zu protestieren. Und um Druck auf die Bankenbranche auszuüben. Auch die Gründung eines öffentlichen Geldinstituts, welches die Dörfer versorgt, wird nicht ausgeschlossen.

Nach der Statistik der spanischen Zentralbank hat sich in den letzten zehn Jahren im ganzen Land die Zahl der Bankenbüros halbiert. Auf Mallorca und den balearischen Nachbarinseln Ibiza, Menorca und Formentera geht das Bankensterben sogar noch schneller vor sich: 2015 gab es demzufolge noch annähernd 900 Filialen auf diesen Inseln. Heute sind es nur etwas mehr als 400.

Nicht nur Bankenfusionen, Online-Banking und geringere Gewinnmargen in Zeiten niedriger Zinsen haben die Schließungswelle angetrieben. Auch die Corona-Pandemie hat als Beschleuniger für die Digitalisierung der Bankgeschäfte gewirkt. Doch der landesweite Aufstand gegen die Filialschließungen blieb nicht ganz wirkungslos.

Vor allem eine Kampagne, die der 78 Jahre alte spanische Rentner Carlos San Juan Anfang 2022 ankurbelte, fand ein Riesenecho. Mehr als 650.000 Menschen unterschrieben seinen Aufruf „Ich bin alt, aber kein Idiot“, mit dem er dagegen protestierte, dass die Senioren unter dem Aussterben der Filialen zu leiden haben. Spaniens Bankenverband reagierte auf diese Kampagne mit dem Versprechen, den Älteren wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Abwicklung von immer mehr Filialen wird dies zwar nicht aufhalten können. Aber immerhin wurden seitdem Schalterzeiten verlängert, spezielle Online-Seniorenberater geschult. Und auf vielen spanischen Bankapps gibt es inzwischen ein vereinfachtes Bedienungsmenü für älteren Bürger.

(ze)
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