Berlin Athen will langsamer sparen: Euro fällt unter 1,22 Dollar

Berlin · Das Vertrauen in Europas Währung bröckelt. Der Euro fiel gestern unter 1,22 Dollar und damit auf den tiefsten Wert seit über zwei Jahren. Die Anleger sorgen sich, dass die Rettungsaktionen der Europäer sich verzögern oder nicht greifen. Zudem rückt Griechenland wieder in den Fokus. Der vorläufige Bericht der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank zum Stand der Reformen zeichnet ein düsteres Bild.

Demnach hat die Regierung in Athen 210 von 300 Sparvorgaben nicht erfüllt, wie aus Regierungskreisen zu erfahren war. Bei den Privatisierungen würden dieses Jahr nur zwei Maßnahmen in einem Umfang eines niedrigen zweistelligen Millionenbetrags umgesetzt.

Zudem will Athen, anders als angekündigt, keine Beamten entlassen, sondern höchstens in andere Bereiche versetzen, wie der griechische Minister für Verwaltungsreformen sagte. Auch ist es nicht gelungen, den Missbrauch von Sozialleistungen zu stoppen. Die größte Renten- und Krankenkasse des Land (IKA) erklärte gestern, mehrere Tausend Griechen bezögen illegal Renten und Zuschüsse. Auch kontrolliert sie, ob die vielen Bezieher von Blindenhilfe tatsächlich blind sind. Bereits im März hatten Kontrolleure auf der Ionischen Insel Zakynthos festgestellt, dass von den angeblich 700 Betroffenen tatsächlich nur 60 blind sind.

Ende Juli wollen die Experten der Troika erneut nach Athen reisen, um die Umsetzungen der Reformen zu prüfen. Vom Votum der "Troika" hängt die Auszahlung der nächsten Hilfs-Tranche im August in Höhe von knapp 12 Milliarden Euro ab. Das letzte Wort haben die Regierungschefs. Und deren Geduld geht allmählich zu Ende. Kanzlerin Angela Merkel will Athen angeblich nur wenige Wochen Aufschub zum Erreichen der Defizitziele gewähren. Die Forderung der griechischen Regierung nach einem Aufschub der Sparziele um zwei Jahre sei "inakzeptabel", sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt spricht sich gar für einen raschen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone aus. "Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass Griechenland nur dann eine Chance hat, wenn es den Euro verlässt", sagte Dobrindt unserer Zeitung. Die Politik sollte Athen ein dreistufiges Angebot machen. "Erstens, Griechenland verlässt den Euro, bleibt aber in der EU. Zweitens, ein EU-Marschallplan als Wiederaufbauprogramm für die griechische Wirtschaft. Drittens, Rückkehroption in den Euro, wenn Griechenland saniert ist."

Auch in der deutschen Wirtschaft wächst der Zorn. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, mahnte zu einer raschen Umsetzung der Reformen. "Griechenland muss sich endlich auch helfen lassen, die Reformen anpacken und Bedingungen für Investitionen schaffen. Ein Land kann nicht dauerhaft die Wirtschaftskraft eines gesamten Währungsverbunds lähmen", sagte Keitel unserer Zeitung. Er forderte ein Wachstumsprogramm für Griechenland, an dem sich alle Regierungen und die Wirtschaft beteiligten. Im Moment würden einfach zu wenige Unternehmer in Griechenland investieren.

(RP)
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