Berlin Arbeitnehmer fehlen immer länger

Berlin · Kassen klagen über 10,6 Milliarden Euro Krankengeld, Experten wollen Reform.

Wegen einer Zunahme bei Rückenleiden und psychischen Erkrankungen hat die Summe des in Deutschland gezahlten Krankengeldes einen neuen Rekord erreicht. Im vergangenen Jahr mussten die Krankenkassen bei 1,8 Millionen Fällen insgesamt 10,6 Milliarden Euro auszahlen, mehr als jemals zuvor. Das geht aus einem Bericht des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hervor, den die Experten in Berlin an Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) überreichten.

Gröhe hatte das Gutachten im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben, um die seit 2006 verdoppelten Krankengeldkosten erklären zu lassen. Die Experten kommen darin zu dem Schluss, dass bei Frauen Krankengeld in fast jedem vierten Fall wegen psychischer Leiden gezahlt wurde, bei männlichen Betroffenen waren es 17 Prozent. Kostentreiber sind nach Angaben der Regierungsberater aber auch die gestiegenen Beschäftigungszahlen (mehr Fälle), höhere Löhne und die längere Lebensarbeitszeit - neben dem höheren Durchschnittsalter aufgrund des demografischen Wandels.

Seit Jahren gibt es eine Debatte darüber, dass Krankenkassen wegen der steigenden Kosten angeblich Arbeitnehmer mit einer längeren Krankheitsphase dazu drängen würden, wieder zu arbeiten - oder in anderen Fällen die betroffenen Versicherten gar in die Frührente schicken.

Der Sachverständigenrat schlägt nun vor, die Möglichkeit auf "Teilkrankheit" zu schaffen. Das solle Kosten sparen und den Wünschen von Arbeitnehmern entgegen kommen, die früher zurück in den Job wollen, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Ferdinand Gerlach. So sei es in skandinavischen Ländern üblich, dass Patienten auch nur zu 25, 50 oder 75 Prozent krankgeschrieben werden könnten. Arbeitnehmer würden so etwa mit einem gebrochenen Arm und reduzierter Stundenzahl früher an den Schreibtisch zurückkehren, Arbeitgeber müssten dann aber den entsprechenden Teil des Gehalts übernehmen - und die Kassen sparen Geld. Die Grünen warnten jedoch davor, dass nicht mehr Druck auf die Patienten ausgeübt werden dürfe.

(RP)
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