Start-up Ordio aus Köln Vom Sushi-Lieferdienst zur Schichtplanungs-App

Köln · Um die Mitarbeiter der eigenen Gastro-Kette zu organisieren, entwickelten Kölner Gründer kleine digitale Programme. Aus der Selbsthilfe ist nun ein Start-up geworden – das andere Firmen bei der Personalarbeit unterstützt. Investoren stellen einen Millionenbetrag bereit.

 Konnten die ersten Investoren überzeugen: Das Ordio-Team mit den Gründern Gregor Pilz (2. von links) und David Keuenhof (2. von rechts).

Konnten die ersten Investoren überzeugen: Das Ordio-Team mit den Gründern Gregor Pilz (2. von links) und David Keuenhof (2. von rechts).

Foto: Ordio/Achim Bednorz/Achim Bednorz

In der Küche liegt ein alter Spüllappen, ein Mitarbeiter hat sich überraschend krankgemeldet und die Rentenversicherung will noch Unterlagen sehen – alltägliche Aufgaben im Gastronomie-Alltag: „Es ist ein Chaos aus Kleinigkeiten“, sagt David Keuenhof. Seit 2009 hat er gemeinsam mit einem Geschäftspartner die lokale Kette „Sushi Ninja“ in Köln aufgebaut, mit drei Filialen, einem eigenen Lieferdienst und mittlerweile etwa 125 Beschäftigten. Schon früh hat Keuenhof begonnen, kleine IT-Lösungen zu bauen, um effizienter zu arbeiten: Die Warenbestellung erfolgte über automatisch erzeugte E-Mails, ebenso die Anmeldung neuer Mitarbeiter bei den Behörden.

Aus den verschiedenen Mini-Programmen ist nun ein Paket geworden, aus der IT-Selbsthilfe ein eigenes Start-up: Ordio positioniert sich als eine Anwendung, die vor allem Unternehmen helfen soll, deren Mitarbeiter nicht am Schreibtisch sitzen. Ob in der Gastronomie, in Gartencentern, Veranstaltungsstätten, Bäckereien oder auch Testzentren: Mit der App können Mitarbeiter beispielsweise selbstständig ihre Schichten planen oder tauschen, haben einen Überblick über ihren Verdienst – oder sehen, wie viele Stunden sie als Minijobber überhaupt noch in einem Monat arbeiten dürfen. „Das sorgt für die volle Transparenz im Betrieb“, sagt Gründer Keuenhof.

Vom Nebenprojekt zur Allweckwaffe

Vor etwa zwei Jahren machte sich Keuenhof auf den Weg, aus dem Nebenprojekt ein eigenständiges Produkt zu bauen. Lange Zeit tüftelten er und sein Mitgründer Gregor Pilz im stillen Kämmerlein an Ordio. Nach und nach kamen dann die ersten Kunden dazu. Als Referenzen weist das Start-up aktuell vor allem Kölner Gastroketten auf. Doch im Blick haben die Macher zahlreiche Unternehmen aus anderen Branchen. Insgesamt 80 Kunden aus 13 verschiedenen Branchen habe man bereits, teilt Ordio mit – die Kunden wiederum beschäftigen zusammen etwa 5500 Mitarbeitern.

Besonders relevant für das Start-up sind die Unternehmen, die viel mit freien Mitarbeitern, studentischen Aushilfen oder geringfügig Beschäftigten zusammenarbeiten. Hier ist zum einen besonders viel Abstimmungsarbeit nötig – aktuell etwa durch unübersichtliche WhatsApp-Gruppen zum Schichttausch gelöst. Zum anderen fällt es Unternehmern hier ohnehin aktuell schwer, ausreichend Mitarbeiter zu finden und sie richtig einzusetzen [https://rp-online.de/panorama/fachkraeftemangel-der-gastronomie-der-schoenste-nebenjob-der-welt_aid-73663329].

Das Kalkül der Gründer: Fachkräftemangel, steigende Löhne und zulegende Kosten sorgen dafür, dass gerade besonders viele Firmen nach Wegen suchen, um die mühselige Abstimmungsarbeit zu vermeiden. „Gerade bei den aktuellen Kostensteigerungen merken viele, dass sie effizienter arbeiten müssen“, sagt Keuenhof. Wo sich sonst eigene Mitarbeiter um Personalplanung, Buchhaltung und Lohnabrechnung kümmern, soll nun die App der Kölner übernehmen. Die Angestellten übernehmen viele Aufgaben in der App selbst – nach Angaben des Start-ups nutzen 85 Prozent der Nutzer das Programm sogar täglich.

Millionensumme für das Kölner Start-up

Ordio selbst verdient Geld über eine monatliche Lizenzgebühr pro Standort, an der die App im Einsatz ist. Wächst die Zahl der Mitarbeiter oder Arbeitsorte, steigt auch der Umsatz bei Ordio. Der Aufwand für das aktuell fünfköpfige Team soll dabei gleichbleiben – das Ziel ist es, dass neue Unternehmen möglichst ohne Anleitung mit dem Programm arbeiten können.

In diesen Tagen hat das Start-up nun seine erste Finanzierungsrunde öffentlich gemacht. Eine Gruppe von 18 überwiegend privaten Geldgebern, sogenannten Business Angels, investiert eine niedrige einstellige Millionensumme in Ordio. Darunter sind etwa Vertreter von Start-ups wie Gorillas oder PKW.de, aber auch Manager und Unternehmer von der Versicherung Axa oder der Anwaltskanzlei Osborne Clarke. Die Ambitionen sind groß: „Wir haben 2,8 Milliarden Menschen weltweit, die nicht am Schreibtisch arbeiten“, sagt Thomas Perlitz vom Berliner Investor Allygatr, der sich auf Personalwirtschaft-Start-ups fokussiert, „Ordio digitalisiert diesen zu Unrecht vernachlässigten Bereich.“

Klar ist jedoch: Auch andere IT-Anbieter – manche etabliert, manche frisch gegründet – richten sich mit ihren Lösungen an eine ähnliche Zielgruppe. Für die Gastronomie gibt es Personalplanungs-Apps wie Gastromatic, mit einem breiteren Branchenansatz positionieren sich Dienste wie Papershift oder Planday. Ein Start-up wie Choco wiederum will Restaurants dabei helfen, ihre Waren zu bestellen. Ordio will sich nach Angaben des Gründers dadurch unterscheiden, dass möglichst viele Aufgaben innerhalb der App abgewickelt werden können. „Häufig gibt es nur Insellösungen“, sagt Keuenhof, „die Effizienz entsteht aber oft durch die Verknüpfung der einzelnen Tools“. Auch dabei hat er sich von den eigenen Erfahrungen in den Sushi-Filialen inspirieren lassen: Wer will, kann beispielsweise die Arbeitszeiterfassung noch mit Checklisten kombinieren – so schließt kein Mitarbeiter das Geschäft ab, ohne die Temperatur im Kühlraum zu kontrollieren.

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