AOK-Fehlzeitenreport Home Office schlägt auf die Psyche

Berlin · Die Krankenkasse AOK hat sich in ihrem Fehlzeiten-Report den Unterschieden zwischen Heim- und Büroarbeit gewidmet. Das Fazit: Flexibleres Arbeiten zuhause hat seine Vorteile, birgt aber auch Gefahren.

 Eine Frau arbeitet im Wohnzimmer an einem Laptop.

Eine Frau arbeitet im Wohnzimmer an einem Laptop.

Foto: dpa/Daniel Naupold

Wer statt im Unternehmen im Home Office arbeitet, ist mit seiner Tätigkeit zufriedener. Er leidet aber auch unter stärkeren psychischen Belastungen. Das ist das Ergebnis des neuen Fehlzeiten-Reports der Krankenkasse AOK, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Bei der repräsentativen Befragung unter rund 2000 Beschäftigten gaben knapp 40 Prozent an, teilweise oder ausschließlich zu Hause zu arbeiten. Die „Tele-Arbeitenden“, die überwiegend zuhause tätig sind, betonten, sie seien dort konzentrierter (73,9 Prozent) und könnten mehr Arbeit bewältigen (67,3 Prozent). Allerdings hat die Flexibilität auch ihre Nachteile. Ein Drittel der „Tele-Arbeitenden“ gab an, in den vier Wochen vor der Befragung häufig Aufgaben auf den Abend oder das Wochenende gelegt zu haben. Bei den nur im Unternehmen tätigen Mitarbeitern waren es lediglich 3,1 Prozent. „Die Entgrenzung im Home Office kann zu Problemen führen“, sagte Studien-Mitherausgeber Helmut Schröder vom Wissenschaftlichen Insitut der AOK. „Die Mail um 24 Uhr ist möglicherweise keine Ausnahme mehr.“

Das hat negative Folgen für die Psyche der Arbeitnehmer im Home Office. Knapp drei Viertel von ihnen litten nach eigenen Angaben bereits unter Erschöpfung, fast 70 Prozent schildern Wut und Verärgerung. Sie fühlen sich häufiger lustlos als reine Büro-Arbeiter, haben größere Selbstzweifel und schlafen schlechter. Dennoch: Wer zuhause arbeitet, ist seltener krank. Beschäftigte im Home Office gaben in der Befragung Fehlzeiten von 7,7 Tagen an. Beschäftigte, die nur im Betrieb arbeiten, waren im Schnitt 11,9 Tage krank.

Der Vorsitzende des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, Wolfgang Panter, erklärt sich das mit dem größeren Freiraum der Heimarbeiter. „Wer morgens Kreislaufprobleme hat, fängt nicht um acht, sondern um zwölf Uhr an“, sagte Panter. Er sehe zwei Seiten des Home Office. Es gebe diejenigen, die zuhause arbeiten und sich nebenbei um kleine Kinder kümmern oder Verwandte pflegen. „Hier herrscht eine hohe Belastung“, so Panter. Es gebe jedoch auch diejenigen, die von der individuellen Gestaltung profitierten. Häufig herrsche jedoch die Gefahr der „Selbstausbeutung“. Sei es aus übertriebenem Ehrgeiz oder wegen zu hohen Anforderungen. „Auch zu Hause müssen Erholungszeiten eingehalten werden“, forderte Panter.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht hier vor allem den Gesetzgeber gefordert. „Leider ist Home Office oft nicht gut geregelt und wird schnell zur Stressfalle, weil von Arbeitgebern eine permanente Verfügbarkeit erwartet wird und die Zielvorgaben unerreichbar sind“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Deshalb brauchen wir einen neuen Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten, um auch hier klare Grenzen für die Arbeit zu ziehen und mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen.“ Ulrich Silberbach, Chef des Deutschen Beamtenbundes, forderte zumindest neue Richtlinien: „Gemeinsam müssen Spielregeln für das mobile Arbeiten entwickelt und festgelegt werden, und hier gehören zwingend Gesundheitsschutz und Gesundheitsmanagement hinein – insbesondere der präventive Bereich“, sagte Silberbach.

Dann sinkt vielleicht auch wieder der Krankenstand. Anders als in der Studie beziehen sich die Werte hier allerdings nur auf die AOK-Versicherten. Jeder dort versicherte Beschäftigte fehlte im Jahr 2018 im Durchschnitt 19,9 Tage aufgrund einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. 2017 war es noch ein halber Tag weniger. Am häufigsten waren zwar immer noch Atemwegs- und „Muskel-Skelett-Erkrankungen“. Doch den größten Zuwachs verzeichnen die psychischen Erkrankungen. Die Zahl der hieraus resultierenden Fehltage ist zwischen 2009 und 2018 um 64,2 Prozent angewachsen.

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