AOL stellt sich neu auf

New York Der Kauf soll die Existenz retten. Der marode Internetkonzern AOL übernimmt die US-Onlinezeitung "Huffington Post" – eine der bekanntesten und beliebtesten Webseiten Amerikas. Dafür legt AOL 315 Millionen Dollar auf den Tisch. An der Spitze der neuen Mediengruppe soll die "HuffPost"-Mitbegründerin Arianna Huffington stehen – und AOL wieder zurück auf Wachstumskurs bringen.

"Der Kauf der 'Huffington Post' wird eine US-Medienfirma der nächsten Generation mit weltweiter Reichweite schaffen", sagte AOL-Chef Tim Armstrong gestern. Die neue Mediengruppe werde Monat für Monat 270 Millionen Menschen rund um den Globus erreichen. Arianna Huffington (60), die künftig auch die Verantwortung über die Online-Inhalte von AOL übernehmen wird, zeigte sich ebenfalls begeistert: "Es ist erstaunlich, wie ähnlich unsere Visionen sind."

Der Deal soll den einstigen Internet-Pionier vor seinem Untergang retten. Im vierten Quartal 2010 stürzte der AOL-Gesamtumsatz um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr ab, die Werbeeinnahmen gingen sogar um rund 30 Prozent zurück. Der Grund: AOL hat den Anschluss an die neue Internet-Ära verpasst. Zudem beherrscht inzwischen der Internetriese Google den Online-Werbemarkt.

Im Jahr 1999 sah alles noch viel besser aus. Boris Becker saß vor seinem Computer und lächelte. "Ich bin drin", sagte er. Der AOL-Werbespot mit dem Ex-Tennisstar wurde zum Kult, und AOL überflutete Deutschland mit Software-CDs, um die ganze Republik via Modem ins Internet zu bringen. Das Geschäft boomte. AOL war der größte Konkurrent der Deutschen Telekom. Auf dem Höhepunkt des Internet-Hypes im Jahr 2001 kaufte AOL den Medienriesen Time Warner. Doch dann überrollte die technische Entwicklung AOL: Neue schnellere Internetanschlüsse (DSL) waren auf den Vormarsch, die AOL nicht zu bieten hatte. Das Kerngeschäft brach ein – und schrumpft noch immer. Aus Deutschland und anderen europäischen Ländern hat sich AOL inzwischen vollständig zurückgezogen.

Mit dem Kauf der "Huffington Post" setzt AOL nun auf eine neue Strategie: Leser und Werbekunden sollen mit Inhalten angelockt werden. Im Oktober 2010 hatte der Konzern bereits den einflussreichen Technologie-Blog Techcrunch für 30 Millionen Euro gekauft. Außerdem sollen 50 Millionen Dollar in ein Projekt für regionale soziale Netzwerke fließen.

Arianna Huffington, die die "HuffPost" 2005 mit nur einer Million Dollar Startkapital gründete und im vergangenen Jahr erstmals Gewinn erzielte, hofft, mit AOL nun noch schneller wachsen zu können: "Dieser Moment wird für die HuffPost so sein wie das Umsteigen vom Schnellzug in den Überschalljet."

(RP)
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