Wasserstoff Der Stoff der Zukunft

In Deutschland verengt sich die Diskussion über die Antriebe der Zukunft auf die höchst problematischen Batterieautos. In China, dem globalen Leitmarkt für Elektromobilität, steuert man bereits um. Das sollten wir auch.

 Das Betanken eines Autos mit Wasserstoff dauert nicht länger als bei konventionellen Treibstoffen.

Das Betanken eines Autos mit Wasserstoff dauert nicht länger als bei konventionellen Treibstoffen.

Foto: dpa/Hannibal Hanschke

Vielleicht liefe in Deutschland einiges anders, wenn im Land der Ingenieure auch mal ein Ingenieur Minister würde. So einer wie Wan Gang. In der 80ern studierte er in Deutschland Antriebstechnik, bevor er zehn Jahre lang in der Entwicklungsabteilung bei Audi arbeitete. Dann kehrte er nach China zurück und wurde 2007 zum Minister für Wissenschaft und Technologie berufen. In der Autobranche hat Wan einen Ruf wie Donnerhall: Er ist der Architekt der chinesischen Elektroauto-Revolution.

In nur einer Dekade entwickelte sich unter Wans Ägide in China dank massiver staatlicher Subventionen und gezielter Gesetzgebung der weltgrößte Markt für batteriebetriebene Fahrzeuge. Deutsche Politiker werden nicht müde auf das Beispiel China zu verweisen, wenn es darum geht, die Elektromobilität zu preisen. Und auch Herbert Diess, Chef des weltgrößten Autokonzerns Volkswagen, hat sich nicht zuletzt mit Blick auf China, wo VW 40 Prozent seiner Produktion absetzt, voll dem Batterieantrieb verschrieben und will Milliarden in diese Technologie investieren.

Derweil wird in China das Ruder schon wieder herumgeworfen, und ausgerechnet Wan Gang gab im April am Rande einer Automesse in Schanghai das Signal dafür. Nicht der der Lithium-Ionen-Batterie, sondern der mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzelle gehöre die Zukunft, sagte der 66-Jährige, der im vergangenen Jahr aus der Regierung ausschied und jetzt Präsident einer Wissenschaftsvereinigung ist. Kurz darauf bestätigte ein Sprecher des Industrieministeriums die neuen Prioritäten in Peking: Man werde die Markteinführung der Brennstoffzelle forcieren, denn  der Batterieantrieb sei auf lange Sicht für längere Distanzen sowie den Schwerlastverkehr ungeeignet.

Bereits Ende März hatte die Regierung die bisher üppigen Subventionen für Batterieautos um zwei Drittel gekürzt. Im kommenden Jahr soll die Förderung dann ganz gestrichen werden, während sie für Brennstoffzellenautos vorerst weiterläuft. Für einige Hersteller dürfte das extrem schmerzhaft werden. Allein BYD, Chinas Marktführer bei Batteriefahrzeugen, hat nach Schätzungen in den vergangenen fünf Jahren vom Staat fast eine Milliarde Euro für sein Elektroprogramm erhalten.

Nach Einschätzung von Beobachtern sind es aber nicht allein technische Gründe, die zu einem Umdenken der Regierung geführt haben. Immer stärker sei den chinesischen Behörden auch bewusst geworden, wie schlecht die Ökobilanz der Batterieautos in Wirklichkeit sei. Vor allem die extrem umweltschädliche und ressourcenverschlingende Gewinnung der nötigen Schwermetalle für die Batteriefertigung wie auch die spätere Entsorgung giftiger Abfälle bereite zunehmend Sorgen. Und dann gibt es da noch das Problem mit den Batteriebränden bei E-Autos: Mehr als 40 solcher Vorfälle wurden im vergangenen Jahr in China registriert.

Nun ist ja auch der Umgang mit Wasserstoff keine banale Angelegenheit, was die Explosion einer Wasserstofftankstelle in Norwegen erst unlängst wieder in Erinnerung gerufen hat. Trotzdem, so berichtete die „China Daily News“, habe die Regierung in Peking ehrgeizige Infrastrukturpläne. So werden zur Versorgung von einer Million Wasserstoffautos, die bis 2030 auf Chinas Straßen fahren sollen, Dutzende „Wasserstoffkorridore“ entstehen.

Eine flächendeckende Versorgung mit dem extrem flüchtigen Gas bleibt die größte Herausforderung, um der Wasserstoff-Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Und da steht Deutschland mit seiner starken chemischen Industrie gar nicht so schlecht da. Hierzulande existiert mit derzeit 70 öffentlich zugänglichen Standorten das weltweit zweitgrößte Netz an Wasserstofftankstellen. Nur in Japan gibt es mit 96 noch mehr; in China sind es bisher nur ein gutes Dutzend. Bezogen auf die Bevölkerungszahl hat aber Dänemark mit acht Zapfsäulen das dichteste Netz. Geplant ist in Deutschland der Ausbau auf 400 Standorte, aber bei systematischer Aufrüstung klassischer Tankstellen ließe sich diese Zahl schnell erhöhen. Es ist eine Frage des Geldes: Die Kosten für den Bau einer Wasserstofftankstelle beginnen bei einer Million Euro.

Die Frage, wie der Wasserstoff am effizientesten zum Kunden transportiert werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Am gängigsten ist bisher die Methode, das Gas mit 700 Bar Druck zu verdichten und in Tanks zu füllen oder es unter minus 253 Grad Celsius abzukühlen, um es zu verflüssigen. Deutsche Forscher haben zudem eine Methode entwickelt, den Wasserstoff an eine Trägersubstanz zu binden, so dass eine sicher transportierbare dieselähnliche Flüssigkeit entsteht. In Skandinavien setzt man dagegen zunehmend auf Wasserstofftankstellen, die das Gas direkt vor Ort per Elektrolyse herstellen. Benötigt werden dafür lediglich Wasser und Strom – idealerweise geliefert direkt von einem nahe gelegenen Windpark.

Keines dieser Verfahren kommt bisher ohne größere Effizienzverluste aus, aber solange in Deutschland große Mengen Wind- und Solarstrom wegen drohender Netzüberlastung nicht verwertet werden können (und die Verbraucher dafür auch noch Hunderte Millionen Euro bezahlen müssen), wäre die Herstellung von Wasserstoff per Elektrolyse immerhin eine elegante Form der Speicherung der überschüssigen Energie.

Wie Wan Gang glauben daher auch deutsche Ingenieure an eine große Zukunft des Wasserstoffs. In einer im Mai publizierten Studie des Vereins Deutscher Ingenieure und des Verbands der Elektrotechnik warnen die Autoren eindringlich davor, einseitig auf die batteriebetriebene E-Mobilität zu setzen.  Die gleichberechtigte Förderung der Wasserstoff-Technologie sei unverzichtbar, um Deutschlands energie- und umweltpolitische Ziele zu erreichen. Man könnte auch sagen: VW-Chef Diess ist schwer auf dem Holzweg.

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