Düsseldorf Großfusion am Wohnungsmarkt

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Annington will den Wohnungskonzern Gagfah schlucken. Das Herz des neuen Immobilienriesen schlägt mitten in NRW.

Die Wohnungsunternehmen Gagfah und Deutsche Annington waren bislang nicht gerade Lieblinge der Mietervereine. Der Chef des Deutschen Mieterbundes, Bernhard von Grünberg, nennt sie "die Sorgenkinder des deutschen Wohnungsmarktes". Ausgerechnet diese beiden Börsenkonzerne wollen sich nun zusammenschließen und gemeinsam der mit weitem Abstand größte deutsche Immobilienkonzern werden: Für fast 3,9 Milliarden Euro will die Düsseldorfer Annington die kleinere Gagfah schlucken, die aus steuerlichen Gründen formal in Luxemburg sitzt, ihre Konzernzentrale aber in Mülheim an der Ruhr hat. Beide Konzerne vermieten alleine in NRW schon 200 000 Wohnungen. Ergebnis des Plans, den Annington-Chef Rolf Buch gestern ankündigte, soll ein Konzern mit 350 000 Wohnungen im Börsenwert von 21 Milliarden Euro sein. Das wäre Europas zweitgrößter Wohnungskonzern nach der französischen Unibail-Rodamco. "Wir wollen einen nationalen Champion schaffen", so Buch.

Und das soll so funktionieren: Die Hälfte des Kaufpreises will Annington bar bezahlen, die anderen Hälfte in eigenen neuen Aktien. Gagfah-Aktionäre sollen für 14 ihrer Aktien 122,52 Euro plus fünf Deutsche-Annington-Aktien erhalten. Das entspricht 18 Euro je Gagfah-Aktie und damit einem Aufschlag von 16 Prozent auf den Schlusskurs vom Freitag. Wenn bis zum 21. Januar mehr als die Hälfte der Gagfah-Aktionäre zustimmen, gilt das Übernahmeangebot als angenommen.

Dass die Gagfah-Aktionäre nicht abgeneigt sind, zeigte gestern der Aktienkurs: Das Papier schoss um knapp 18 Prozent nach oben. Mit knapp vier Milliarden Euro war die Gagfah gestern so viel wert wie seit Mitte 2007 nicht mehr. Die Annington-Aktie büßte knapp drei Prozent ein. Analysten bewerten den Übernahmeversuch positiv: "Die Immobiliengesellschaft dürfte mit ihre Offerte Erfolg haben", sagte Analyst Kai Klose von HSBC, "durch die Fusion könnten angesichts der möglichen Einsparungen ein Wertzuwachs entstehen." Ähnlich äußerte sich Analyst Thomas Neuhold von Kepler Cheuvreux.

Unklar ist, was die Fusion für die Mieter bedeutet. Von Grünberg begründet seine Skepsis mit den bisherigen Sparmaßnahmen von Deutscher Annington und Gagfah: "Unter dem Spardiktat der Börse haben beide Anbieter ihren Service dramatisch zusammengestrichen." Der Mieterschützer erinnert an das Beispiel Neue Heimat. Der gewerkschaftseigene Immobilienkonzern gehörte lange zu den Marktführern und brach 1986 zusammen. "Groß heißt nicht immer auch gut", meint von Grünberg, "Immobilienkonzerne müssen nah bei den Mietern sein. Die Zentralisierungstendenzen von großen Konzernen schaden ihnen." In der Tat haben sowohl Gagfah als auch Annington zuletzt viele Ansprechpartner in Callcentern gebündelt. Die Beschwerden vor allem von Gagfah-Mietern, die angeblich monatelang ihre Probleme nicht adressieren konnten, häuften sich. Zudem hätten die Mieter bei den "zunehmenden Monopolisierungstendenzen auf dem Wohnungsmarkt immer weniger Auswahl", befürchtet von Grünberg. Die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Daniela Schneckenburger, ist eigentlich eine bekannte Kritikerin von großen Immobilienkonzernen. Aber im aktuellen Fall will sie den Teufel noch nicht an die Wand malen. "Das kann auch Chancen für die Mieter bedeuten, wenn der Profit der Fusion in die Instandhaltung investiert wird."

NRW-Wohnungsbauminister Michael Groschek (SPD) will Annigton-Chef Buch und Gagfah-Chef Thomas Zinnöcker ins Ministerium einbestellen. "Der Zusammenschluss darf nicht nur Börsenrendite abwerfen, sondern muss den Mietern auch eine soziale Rendite bescheren", sagte der Minister gestern unserer Zeitung. Ziel des Gespräches sei "der Abschluss eines Kontraktes für gutes und bezahlbares Wohnen" zwischen einem bereits bestehenden Bündnis der Branche mit der der Politik und dem neuen Branchenriesen.

(RP)
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