700-Millionen Euro-Batteriefabrik in Münster Forschungsministerin Karliczek besucht ihr umstrittenstes Projekt

Münster · Die Vergabe der Forschungsfabrik Batteriezelle nach Münster war 2019 höchst umstritten. Seitdem gab es offenbar viel Frust und Verzögerungen. Bei einem Besuch vor Ort sind die beteiligten Minister dennoch erleichtert.

 NRW-Forschungsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (v.r.), NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart und Forschungsministerin Anja Karliczek

NRW-Forschungsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (v.r.), NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart und Forschungsministerin Anja Karliczek

Foto: dpa/Guido Kirchner

Die Forschungsfabrik Batteriezelle soll ein Leuchtturm sein, der von Münster aus weit in die Welt hinausstrahlt. „Rahmenbedingungen, die weltweit ihres Gleichen suchen werden“, verspricht Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Freitag bei einem Besuch. Das klingt toll, aber so ganz traut man der Sache dann doch nicht. Denn hatte nicht gerade noch NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) davon gesprochen, dass man durchhalten müsse und dass es herausfordernd bleibe? Und hatte nicht auch Karliczek eingeräumt, dass es „kein leichter Prozess bis hierhin“ gewesen sei? Klar, das muss sich nicht ausschließen, auch Pinkwart sieht hier in Münster großes Potenzial. Aber dennoch dürften seine Worte etwas mehr die Realität beschreiben als die der scheidenden Ministerin.

Die Vergabe der Forschungsfabrik Batteriezelle war das wohl schlagzeilenträchtigste Projekt, dass die CDU-Politikerin in den vergangenen Jahren angestoßen hat. 2019 hatte Münster den Zuschlag für den Bau einer Forschungsfabrik bekommen, in der Wissenschaft und Wirtschaft an der Zukunft der Batterien arbeiten sollten. 500 Millionen Euro an Bundesmitteln und rund 200 Millionen Euro aus Landesmitteln sollten dafür bereitgestellt werden.

Der Zuschlag für Münster war jedoch von Beginn an höchst umstritten – allein schon deshalb, weil die CDU-Politikerin Karliczek aus dem nahegelegenen Ibbenbüren stammt, wo im Zuge dessen eine Recyclingfabrik für Batteriezellen entstehen soll. Speziell im Süden der Republik fühlte man sich düpiert. Hier hätte man es gerne gesehen, wenn Ulm oder Augsburg den Zuschlag bekommen hätten. Je nachdem, mit wem man sprach, klang es nach schamloser Kungelei oder cleverer Standortpolitik.

Der Bundesrechnungshof beanstandete im Nachhinein das Vergabeverfahren jedenfalls in gleich mehreren Punkten. Das Forschungsministerium habe an das Land detaillierte Informationen zum benötigten Grundstück und Gebäude weitergegeben, heißt es im Bericht der Rechnungsprüfer: „Die anderen Länder erhielten diese für die spätere Bewerbung wichtigen Informationen nicht. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung war nicht erkennbar.“ Viele Kriterien für die Standortwahl waren aus Sicht der Rechnungsprüfer darüber hinaus zu schwammig formuliert, zu wenig wurde ordentlich und nachprüfbar schriftlich festgehalten.

Doch der Termin am Freitag beweist, dass die scheidende Ministerin Fakten geschaffen hat. In Münster wird gebaut, eine Beschichtungsanlage mit Reinraumtechnik hat hier inzwischen auch den Regelbetrieb aufgenommen. „Der Workspace ist ein erstes starkes Signal der Leistungsfähigkeit der Forschungsfertigung Batteriezelle“, sagte die ebenfalls beim Termin anwesende NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos).

Allerdings: Ursprünglich sollte die gesamte Anlage 2022 fertig sein. Davon ist man jedoch weit entfernt. Nun ist lediglich die Rede davon, den ersten Bauabschnitt im nächsten oder übernächsten Jahr fertigzustellen. Der zweite Bauabschnitt könnte dann 2025 fertig sein. Andreas Pinkwart (FDP) räumt offen ein: „Es hat sich einiges verzögert.“

Die Probleme betreffen jedoch nicht nur den Bau. Auch hinter den Kulissen soll es gekracht haben. Der „Tagesspiegel“ berichtete vor einigen Monaten, das Verhältnis von Industrie und Fraunhofer-Gesellschaft, dem Betreiber der Forschungsfabrik, sei schwierig. Fraunhofer würde ohne Konzept und Kunden an potenziellen Anwendern vorbeiarbeiten. Von „Forschung als Selbstzweck“ ist die Rede gewesen.

Der Vorwurf ist heikel, denn er trifft einen wunden Punkt. In der Wirtschaft und auch in der Politik ist immer wieder zu hören, dass die Fraunhofer-Gesellschaften eigentlich reformiert gehörten. So monierte unlängst Thomas Jarzombek, Beauftragter für Start-ups und digitale Wirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium, dass Fraunhofer aufgrund unattraktiver Rahmenbedingungen keine großen Start-ups hervorbringen würde. Fraunhofer verweist hingegen auf rund 480 Ausgründungen, die es zwischen dem Jahr 2000 und 2020 gegeben hätte.

Beim Besichtigungstermin mit den Ministern versuchte man diesen Eindruck zu zerstreuen. Die Rede war von Delegationen aus Asien, die sich vor Ort bereits umschauen. Und Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, erzählte von einem Interessenten aus dem Mittelstand, dessen Namen er aber noch nicht nennen dürfe. Es soll jetzt vorwärts gehen in Münster, die Botschaft ist eindeutig – die Hoffnung auf den Leuchtturm lebt.

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