Berlin Merkel will wieder Klima-Kanzlerin sein

Berlin · Die Kanzlerin hält die Klimaabgabe für sinnvoll. Bis Ende des Jahrhunderts müsse die Welt auf Öl und Kohle verzichten.

Im Streit um die Klimaabgabe auf alte Kraftwerke hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erstmals den Rücken gestärkt. Es sei eine "glaubwürdige Erfüllung" des 40-Prozent-Ziels bei der Reduktion des Kohlendioxidausstoßes erforderlich. "Ich glaube, dass die Abgabe eine Möglichkeit ist", sagte Merkel. "Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden." Heute will sie mit Kanzleramts-Chef Peter Altmaier (CDU), Gabriel und Staatssekretär Rainer Baake (Grüne) einen Kompromiss schmieden.

Der soll laut einem Papier aus dem Ministerium so aussehen, dass die Braunkohle-Verstromer RWE und Vattenfall weniger stark belastet werden als zunächst von Gabriel geplant. Statt 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) soll die Branche nun 16 Millionen bis 2020 einsparen. Im Gegenzug sollen Bahn und Verkehr mehr sparen. Zudem soll die Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) ausgebaut werden und alte Steinkohle-Kraftwerke aus dem Markt drängen. Zahlen soll das der Stromkunde: Durch den Ausbau muss die vom Verbraucher zu zahlende KWK-Umlage von derzeit 0,25 Cent je Kilowattstunde auf 0,5 Cent verdoppelt werden, heißt es in dem Papier. Weiter ist vorgesehen, dass die Versorger gegen Geld ein bis zwei Gigawatt Braunkohle als Kapazitätsreserve halten können. RWE hat knapp zehn Gigawatt Braunkohle.

Der Konzern, der im rheinischen Revier 17 Blöcke und zwei Tagebaue in Gefahr sieht, lehnt den Kompromiss dennoch ab: Die grundsätzlichen Mängel der Abgabe würden nicht behoben. Peter Rosin, Energieexperte der Kanzlei White and Case, erklärte: "Der neue Vorschlag zur Klimaabgabe versucht, bestehende verfassungsrechtliche Fragen zu entkräften. Unabhängig davon begegnet dieses Instrument aber auch gravierenden europarechtlichen Fragen, die zu beantworten sind."

Für Merkel sind die Prioritäten dagegen klar: Sie will den Klimaschutz voranbringen. Als Gastgeberin des G7-Gipfels im Juni auf Schloss Elmau will sie Fortschritte auf dem Weg zum Pariser Weltklimagipfel im Dezember verkünden. Beim Petersberger Klimadialog gestern ging sie in Vorlage: Deutschland werde seinen Beitrag zur Finanzierung von Klimaschutz-Projekten und Folgekosten des Klimawandels in ärmeren Ländern bis 2020 auf vier Milliarden Euro verdoppeln. Auf dem Pariser Gipfel müssten sich 190 Länder auf ein Klimaschutzabkommen einigen. Dessen Ziel ist es, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu beschränken. Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten François Hollande gab Merkel gestern das Ziel aus, dass die Welt bis zum Ende des Jahrhunderts komplett auf Öl, Gas und Kohle verzichtet und auf erneuerbare Energien umsteigt. "Wir müssen im 21. Jahrhundert die Dekarbonisierung der globalen Wirtschaft schaffen", sagte Merkel. Instrument dafür solle ein weltweiter Handel mit Emissionsrechten sein, wie es ihn in der EU bereits gibt. Die EU solle sich offenhalten, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 noch stärker als um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.

(mar)
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