Andrea Nahles legt Gesetzentwurf vor Mindestlohn kommt für alle über 18

Berlin · Ausnahmen von der Lohnuntergrenze soll es nach dem Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Nahles ab 2015 nur für Minderjährige ohne Ausbildung geben. In 15 Branchen mit Tarifverträgen gelten noch bis Ende 2016 Sonderregeln.

Andrea Nahles legt Gesetz vor: Mindestlohn kommt für alle über 18
Foto: dpa, Patrick Pleul

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat gestern ihren Gesetzentwurf zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 vorgelegt. Zuvor hatten die drei Parteichefs von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, letzte strittige Fragen geklärt.

Für wen soll der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gelten?

Der flächendeckende Mindestlohn soll für alle Arbeitnehmer über 18 Jahren gelten. Ausgenommen sind nur Minderjährige ohne Berufsausbildung und Auszubildende. Abweichungen sind noch bis Ende 2016 in Branchen möglich, für die ein Tarifvertrag mit geringeren Mindestlöhnen vorliegt. Im ostdeutschen Friseurhandwerk etwa wird erst im August 2015 die Marke von 8,50 Euro erreicht. 15 Branchen hätten sich beim Arbeitsministerium gemeldet, um diesen Weg zu gehen, hieß es gestern. Auch die Zeitungsverlage suchen noch nach einer Lösung für die Zeitungsboten. Sie könnten auch künftig einen Stücklohn erhalten, hieß es. Die Verlage müssten nur plausibel machen, dass sich der Stücklohn am Stundenlohn von 8,50 Euro orientiert.

Warum fordern Union, Arbeitgeber und Ökonomen eine höhere Altersgrenze von 21 Jahren?

Eine Allianz aus Wirtschafts- und Sozialpolitikern der Union, Arbeitgeberverbänden und führenden Ökonomen setzt sich dafür ein, die Altersgrenze, ab der der Mindestlohn gelten soll, auf 21 Jahre anzuheben. Fast 60 Prozent aller Auszubildenden beginne eine Ausbildung erst ab 18 Jahren, lautet ihr Argument. Jugendliche sollten durch den Mindestlohn nicht verführt werden, lieber einen besser bezahlten Job anzutreten als eine Lehre. Diese Frage sei am Freitag bei einem Treffen von Nahles mit Vertretern der Arbeitgeberverbände und den Gewerkschaften "sehr kontrovers" diskutiert worden, hieß es in Arbeitgeberkreisen. Man sei "verärgert" darüber, dass Nahles den Bedenken der Wirtschaft nicht Rechnung trage. Problematisch wäre die Grenze von 21 allerdings für junge Menschen, die bereits eine Ausbildung abgeschlossen haben und mit 19 oder 20 Jahren weiterhin keinen Anspruch auf den Mindestlohn hätten.

Welche Altersgrenzen gelten in anderen europäischen Ländern?

In Frankreich gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer über 18 Jahren ein Mindestlohn von derzeit 9,53 Euro. Ausnahmen bis 25 gibt es nur für Auszubildende und jüngere Arbeitnehmer in Fortbildungsmaßnahmen. Frankreich wird oft als Negativ-Beispiel herangeführt: Die Jugendarbeitslosigkeit liege hier durchschnittlich bei etwa 25 Prozent. Wesentliche Ursache dafür sei die hohe Einstellungshürde des Mindestlohns, sagen Experten.

In Großbritannien gilt für junge Arbeitnehmer eine Altersgrenze von 21 Jahren. In den Niederlanden erhalten Jüngere bis 23 Jahre nur einen prozentualen Anteil am Mindestlohn. 22-Jährige bekommen 85 Prozent des Mindestlohns, 18-Jährige nur 45,5 Prozent. Dieses abgestufte Verfahren gilt für viele in der Union als Vorbild. Auch in den Niederlanden sei die Jugendarbeitslosigkeit entsprechend gering.

Soll es weitere Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen und für Langzeitarbeitslose geben?

Der Mindestlohn soll nicht für ehrenamtlich Tätige und für Praktikanten im Rahmen ihrer Schul- oder Berufsausbildung gelten. Für Langzeitarbeitslose, die Eingliederungszuschüsse der Bundesagentur für Arbeit (BA) erhalten, soll der Mindestlohn erst nach sechs Monaten gelten. Dies betrifft allerdings nur 20 000 der insgesamt zwei Millionen Langzeitarbeitslosen.

Wer legt die Mindestlohnhöhe ab 1. Januar 2018 fest?

Eine Tarifkommission soll jährlich die Höhe des Mindestlohns festlegen, erstmals geschieht dies für 2018. Gewerkschaften und Arbeitgeber entsenden je drei stimmberechtigte Mitglieder für fünf Jahre in die Kommission. Gemeinsam schlagen sie einen Vorsitzenden vor. Zudem sitzen zwei nicht stimmberechtigte Wissenschaftler in dem Gremium. Die Kommission soll ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit fällen, wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht, der unserer Zeitung vorliegt. "Bei der Beschlussfassung hat sich die oder der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten", heißt es. "Kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, macht die oder der Vorsitzende einen Vermittlungsvorschlag. Kommt nach Beratung über den Vermittlungsvorschlag keine Stimmenmehrheit zustande, übt die oder der Vorsitzende ihr oder sein Stimmrecht aus."

(mar)
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