Washington Amerika kämpft gegen das Billionen-Loch im Haushalt

Washington · Wenn alle Beteiligten ein Gespräch offen und ehrlich nennen, kann man sicher sein, dass ein breiter Graben zwischen den Beteiligten klafft. In Washington ist viel von offen und ehrlich die Rede. Erst, als Präsident Barack Obama die Spitzen der Republikaner zum Schuldengipfel empfing, dann, als sich Finanzminister Timothy Geithner mit den Rebellen der Tea Party zusammensetzte. Beide Male ging es darum, wie hoch sich die USA verschulden dürfen. Ein Vorschlag, die Schuldenobergrenze um über zwei Billionen Dollar ohne Ausgabenkürzung anzuheben, fiel erwartungsgemäß durch. Nun naht ein Sommerdrama. Bis 2. August haben die Streithähne noch Zeit für eine Einigung. Danach kann Geithner auch mit Buchhalter-Kunststückchen nicht mehr verhindern, dass der Spielraum fürs Schuldenmachen ausgereizt ist. Gibt es keinen Deal, sind die USA in zwei Monaten de facto zahlungsunfähig.

Weitgehend Konsens herrscht bei der Lagebestimmung: Kurzfristig bleibt "Uncle Sam" gar nichts anderes übrig, als das Limit zu erhöhen, aber nur, um sofort eine Trendwende einzuleiten. Ausufernde Defizite schränken die Handlungsfähigkeit der Supermacht empfindlich ein und können kein Dauerzustand sein. Die Gesamtschulden sind mittlerweile so hoch wie die Wirtschaftsleistung. Würde die Obergrenze korrigiert, könnten die Verbindlichkeiten bis Dezember von 14,3 Billionen auf mehr als 15 Billionen Dollar steigen. Vor knapp sechs Wochen hatte die Ratingagentur Standard & Poor's den Wecker klingeln lassen: Falls bis 2013 kein Verfahren zum Schuldenabbau stehe, könnten die USA die Höchstnote AAA für ihre Staatsanleihen verlieren.

Nach Obamas Plan soll das Defizit bis 2023 um vier Billionen Dollar verringert werden, zur Hälfte durch niedrigere Ausgaben sowie zu je einem Viertel durch höhere Steuern und eingesparte Zinsen (weil die Schuldensumme abnimmt). Um die Ausgaben zu drücken, will das Weiße Haus allein beim Verteidigungsetat 400 Milliarden Dollar abzwacken, bei den Gesundheitszuschüssen 480 Milliarden, bei Agrarsubventionen 360 Milliarden. Ab 2012 sollen die Steuersätze für die reichsten zwei Prozent der Amerikaner wieder auf das Niveau der Ära Bill Clinton steigen. Zusammen mit dem Schließen von Steuerschlupflöchern verspricht sich der Präsident eine Billion Dollar an Mehreinnahmen, verteilt auf zwölf Jahre.

Die Republikaner schließen dagegen Steuererhöhungen aus, möchten aber gleichzeitig das Defizit binnen zehn Jahren sogar um 4,4 Billionen Dollar senken und die Krise für einen umfassenden Rückzug des Staates aus dem Wirtschaftsleben nutzen. Symbolisch dafür steht Medicare, die staatliche Krankenversicherung für Senioren. Dort sollen Gutscheine das bisherige System ersetzen. Da die Kosten für Behandlungen und Medikamente sicher schneller steigen als die Gutschein-Beträge, würde dies bedeuten, dass Letztere immer mehr aus eigener Tasche berappen müssten. Nach Prognosen des Budgetbüros des Kongresses müssten sie 2030 zwei Drittel ihrer medizinischen Rechnungen selber zahlen – heute ist es nur ein Viertel.

(RP)
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