Kolumne: Der Ökonom Das Geld bestimmt die Politik

Berlin · Wer wissen will, wie eine Regierung politisch tickt, sollte ihren Etat studieren. Das nüchterne Zahlenwerks sagt mehr aus als jede flammende Rede.

Das Ringen um den Bundeshaushalt gehört eher zu den langweiligen Teilen der Politik. Wenn der Haushaltsausschuss in seiner Bereinigungssitzung wie am vergangenen Donnerstag die Millionen und Milliarden zu mitternächtlicher Stunde hin- und herschiebt, sind die Profis unter sich. Kaum jemand aus der Öffentlichkeit nimmt Notiz vom Zahlenwerk.

Zu Unrecht. Denn im Kampf um die Zustimmung zu Steuern und Ausgaben der königlichen Schatzkammer sind nicht nur die Demokratie und der Parlamentarismus entstanden. Auch heute ist das Etatrecht die vornehmste Aufgabe des Bundestags. Die einzelnen Posten geben auf Euro und Cent genau die Richtung an, die ein Parteienbündnis einschlägt.

Schauen wir uns den diesjährigen Bundeshaushalt genauer an, nachdem der mächtige Haushaltsausschuss letzte Hand an das Zahlenwerk gelegt hat. Die Ausgaben betragen 356,4 Milliarden Euro. Das ist viel, bezogen auf das gesamte Bruttoinlandsprodukt des Landes allerdings nur zehn Prozent. Nimmt man alle staatlichen Ausgaben, also auch die von Ländern und Gemeinden sowie den Sozialversicherungen hinzu, kommt man auf knapp 44 Prozent. Das zeigt, wir haben in Deutschland einen immensen Staatseinfluss. Die große Koalition ist also ziemlich staatsgläubig.

Innerhalb des Bundesetats fällt auf, dass der größte Einzelposten, der Etat für Arbeit und Soziales, 145,3 Milliarden umfasst. Er macht damit mehr als 40 Prozent des Etats aus. Das Soziale – und dort vor allem die Rentenversicherung – spielt eine sehr große Rolle in der Politik der großen Koalition. Dort haben die Haushälter übrigens noch eine Milliarde mehr eingestellt, als Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgesehen hatte. Nimmt man Kindergeld, Familienleistungen und Ausbildungsförderung hinzu, wird weit mehr als die Hälfte für soziale Zwecke ausgegeben. Demgegenüber ist der Etat des Verteidigungsministeriums zwar um fast fünf Milliarden auf 43,2 Milliarden gestiegen, aber er macht nur das Vierfache des Entwicklungshilfeetats aus. Sehr kriegerisch kann man die Bundesrepublik nicht nennen. Für Straßen, Schienen und die digitale Infrastruktur werden mit knapp 30 Milliarden Euro erheblich weniger ausgegeben als im Wehretat. Die große Offensive bei den Investivausgaben entpuppt sich also als leeres Gerede.

Wer also wirklich wissen will, welche Prioritäten eine Regierung hat und welche Themen ihr nicht so wichtig sind, sollte den Blick in das Zahlenwerk werfen. Nicht umsonst heißt es das Logbuch der Nation.

Ihre Meinung? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort