Energiewende Aluminium-Beschäftigte schlagen Alarm

Düsseldorf · Weil die Braunkohleverstromung endet, bangen die Belegschaften der energieintensiven Betriebe um Energiesicherheit und ihre Jobs. Fällt eine Anlage für nur zwei Stunden aus, ist sie nur noch Schrott. 18 Blackouts gab es bei Hydro 2018.

 Das Rheinwerk ist Deutschlands größte Aluminiumhütte.

Das Rheinwerk ist Deutschlands größte Aluminiumhütte.

Foto: Thomas Ernsting

Für die IG Metall kommt es derzeit geballt. Unter dem abstrakten Begriff der Transformation fasst sie die Bedrohungen für ihre Branchen zusammen: das absehbare Aus des Vebrennungsmotors, schärfere Klimavorgaben, Roboter und Künstliche Intelligenz, die althergebrachte Jobs überflüssig machen. Und nicht zuletzt: die Energiewende.

Vor allem letzter Punkt trifft Aluminiumhersteller wie den norwegischen Konzern Hydro, der mehrere Produktions- und Weiterverarbeitungsstandorte entlang des Rheins betreibt. Allein im Rheinwerk Neuss wird so viel Energie benötigt, wie ganz Düsseldorf verbraucht – eingerechnet der dort beheimateten Industrie  mit Henkel, Daimler und Co. 

Heinz Höhner ist  Betriebsratsvorsitzender am Standort Grevenbroich: „Das Thema Energie treibt unsere Belegschaft um“, sagt er. Erst jüngst auf einer zweieinhalbstündigen Betriebsversammlung ging es knapp eine Stunde nur um die Versorgungssicherheit. „Was tut ihr eigentlich, wenn 2023 in Armlänge die Kraftwerke vom Netz gehen?“, wollten die Beschäftigten wissen. Insofern sei es desillusionierend, wie wenig da von der Bundesregierung komme, sagt Höhner. „Es ist doch Wahnsinn, dass sich der Bundeswirtschaftsminister hinstellt und sagt, wir werden die fehlende Energie von den europäischen Partnern bekommen. Übersetzt heißt das nichts anderes als: Wir setzen auf Strom von unsicheren belgischen Atomkraftwerken.“ Dagegen will die IG Metall ein Zeichen setzen. Am 29. Juni ist eine Transformations-Großkundgebung in Berlin geplant. Auch Hydro-Beschäftigte sind dabei.

In der Alu-Industrie fühlen sie sich  missverstanden,  weil sie das Produkt der Klima- und Mobilitätswende herstellen: „Aluminium benötigen Sie zum Beispiel im Leichtbau, aber auch in jeder Fahrzeugbatterie“, sagt Höhner. Auch für den Ausbau der Stromnetze sei der Werkstoff unerlässlich. „Wir brauchen zuverlässig Strom in dergleichen Spannung und zwar Tag und Nacht“, sagt Höhner. Komme es zu einem zweistündigen Blackout, dann seien die Anlagen nur noch teurer Schrott. „Und es handelt sich schon heute um eine reale Bedrohung: Im letzten Jahr  hatten wir 18 kürzere Abschaltungen wegen Blackouts.“

Käme es zu einem massiven Ausfall, sagt Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW, könne man zwar über Entschädigungen durch Versicherungen reden. Aber de facto würden die Anlagen nie wieder in Deutschland aufgebaut werden. „Uns geht es darum, diese gut bezahlten Arbeitsplätze bei uns zu halten“, sagt Giesler. „Wenn wir Alu nicht mehr hierzulande herstellen, würden wir es wohl bei den Chinesen einkaufen – wo wir nicht so genau wissen, wie ökologisch es dort hergestellt wird.“ Schon heute würde der europäische Markt durch die Abschottungspolitik der USAmit staatlich subventioniertem Billig-Aluminium aus China geflutet.  „Da müssen wir höllisch aufpassen.  Da ist auch die Politik gefordert“, sagt der IG-Metall-Chef. Doch statt gleiche Bedingungen im internationalen Wettbewerb  zu schaffen, führe die deutsche Energiepolitik zu einer Verzerrung: „Flapsig ausgedrückt: Eine Tarifrunde ist einem Aluminiumhersteller herzlich egal“, sagt Giesler. Die Hauptlast seien nicht die Personal-, sondern die Energiekosten. „Wenn die Energiekosten der maßgebliche Treiber sind, dann machen ein Cent pro Kilowattstunde gleich Millionenbeträge aus.“

Dabei sind Giesler und Höhner keine fundamentalistischen Anhänger der Braunkohle. „Wir sind den erneuerbaren überhaupt nicht abgeneigt“, sagt Höhner. „Wir habe nichts von einem sicheren Arbeitsplatz, wenn in zehn Jahren die Klimakatastrophe über uns hereinbricht“, sagt Gielser, fordert aber, dass ökonomische und soziale Gesichtspunkte nicht außen vor bleiben dürften: „Ich finde es gut, dass  durch die Debatte um die  Braunkohle  das Thema Klimaschutz von den Hinterzimmern ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde.  Aber wir können nicht die Braunkohle abschalten, ohne zu wissen, wie wir den Energiebedarf kompensieren.“  Die Parteien dürften jetzt angesichts der Großkundgebungen im Hambacher Forst oder der Wahlergebnisse in Europa nicht in Aktionismus verfallen. „Wir benötigen einen sauberen Plan für die Energiewende. Den sehe ich im Augenblick nicht“, sagt der IG -Metall-Chef.

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