Währungskrise und Inflation Altmaiers schwierige Türkei-Reise

Ankara · Der Bundeswirtschaftsminister ist auf Staatsbesuch am Bosporus. Das Land ächzt unter Währungsverfall und Inflation. Erdogan findet kein Gegenmittel.

 Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie.

Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie.

Foto: AP/Markus Schreiber

Wirtschaftsminister Peter Altmaier ist zu Gesprächen in die Türkei gereist. Mit dabei: rund 40 deutsche Firmenchefs. Trotz ungelöster bilateraler Streitfragen, der wachsenden innenpolitischen Polarisierung in der Türkei und der wirtschaftlichen Turbulenzen ist das Interesse der deutschen Wirtschaft an der Türkei groß.

Altmaiers Reise folgt auf den Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Ende September in Berlin und Köln. Sie soll ein weiterer Schritt bei den beiderseitigen Anstrengungen sein, das schwierige Verhältnis wieder zu verbessern. Diesem Ziel diente auch der Berlin-Besuch des türkischen Finanzministers Berat Albayrak, der im September Erdogans Visite vorangig. Albayrak, ein Schwiegersohn und Vertrauter des Staatschefs, sprach vom Beginn einer „neuen Ära“ in den deutsch-türkischen Beziehungen.

Das ist zwar einstweilen mehr Wunsch als Wirklichkeit. Aber feststeht: Beide Länder brauchen einander. Für die Türkei ist Deutschland der größte Exportmarkt und einer der wichtigsten ausländischen Investoren. Rund 7000 Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung gibt es am Bosporus und in Anatolien. Die Beziehungen reichen zurück bis ins 19. Jahrhundert, als Traditionsunternehmen wie Siemens und die Deutsche Bank Niederlassungen in Konstantinopel gründeten. Heute sind Dutzende deutsche Konzerne in der Türkei vertreten. Ihnen folgten in den 2000er-Jahren Tausende deutsche Mittelständler. Sie entdeckten die Türkei nicht nur als großen Absatzmarkt, sondern auch als Produktionsstandort. Attraktiv wurde das Land vor allem durch die EU-Beitrittsverhandlungen 2005.

Inzwischen hat sich allerdings nicht nur die europäische Perspektive der Türkei verdunkelt. Der zunehmend autoritäre Kurs des Staatschefs Erdogan irritiert die Investoren. Dieter Kempf, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, sagt: „Die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit ist neben Reformmaßnahmen zwingend.“ Für Verunsicherung in Unternehmerkreisen sorgt vor allem, dass Erdogan immer mehr Kompetenzen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik an sich zieht.

Erdogan, seit mehr als 15 Jahren im Amt, steht vor der vielleicht größten Herausforderung: Die Inflation steigt, die Industrieproduktion bricht dramatisch ein, Tausende Firmen gingen bereits bankrott, der Währungsverfall bringt selbst Großkonzerne in Schwierigkeiten, weil sie ihre Fremdwährungskredite nicht mehr bedienen können. Deshalb droht der Lira-Verfall das Bankensystem zu kontaminieren.

Erdogan versichert: Es gebe keine Krise. Er spricht von Manipulationen und schimpft auf die Finanzlobby, sieht Verschwörer am Werk, die einen Wirtschaftskrieg gegen die Türkei führten und versichert seinen Landsleuten: „Wir werden siegen!“

Aber ein überzeugendes Konzept gegen die Krise haben Erdogan und Albayrak nicht. Das zeigt ihr Kampf gegen den Währungsverfall und die Inflation. Die türkische Lira hat seit Jahresbeginn rund 35 Prozent ihres Außenwerts verloren. Die Teuerung erreichte im September mit fast 25 Prozent den höchsten Stand seit Erdogans Amtsantritt. Der Staatschef, der nach eigenen Angaben Wirtschaftswissenschaften studiert hat, fordert von der Zentralbank und den Geschäftsbanken Zinssenkungen. „Der niedrige Zins wird die Inflation nach unten bringen“, glaubt Erdogan. Mit dieser Theorie steht er jedoch allein, Unabhängige Ökonomen plädieren für höhere Zinsen, um das Wirtschaftswachstum zu drosseln und die überhitzte Konjunktur abzukühlen.

Erdogans Schwiegersohn hofft derweil, die Inflation mit „freiwilligen Preissenkungen“ in den Griff zu kriegen: Auf Druck der Regierung veröffentlichte der Verband der türkischen Handelskammern eine Liste von 407 Produkten, deren Verkaufspreise um zehn Prozent gesenkt werden sollen. Hersteller und Geschäfte, die dem Appell folgen, bekommen eine Art staatliches Gütesiegel. Die anderen nicht. Erdogan forderte seine Landsleute auf, Geschäfte zu meiden, die ihre Preise erhöhen. „Wir werden unser Volk nicht der Gnade von Opportunisten ausliefern“, sagte er und kündigte „Razzien“ an. 

Erdogan  nutzt im Kampf gegen die Inflation offenbar die gleichen Mittel, die er gegen seine politischen Widersacher einsetzt: Einschüchterungen, Verbote und Strafen. Keine gute Ausgangslage, um Vertrauen bei deutschen Investoren zu erzeugen.

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