Neue Wirtschaftsprognose vorgestellt Minister Altmaier plant Nothilfefonds für Gastronomie, Messen und Kultur

Berlin · Wirtschaftsminister Altmaier will die Wirtschaft mit einem Vier-Stufen-Plan stützen und schrittweise wieder hochfahren. Es soll unter anderem Sofortmaßnahmen für Großveranstaltungen, Messen, Kultur und das Gastgewerbe geben.

 Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Foto: AP/Tobias Schwarz

Zunächst müssten aber bestehende staatliche Hilfsprogramme optimiert werden. Altmaier denkt an einen neuen Nothilfefonds mit nicht rückzahlbaren staatlichen Zuschüssen oder die Umwandlung von Hilfskrediten in Zuschüsse. Drittens brauche es ein Konjunkturprogramm, das sowohl staatliche Investitionen als auch nachfragestärkende Maßnahmen enthalten soll. Als Letztes will Altmaier ein Fitnessprogramm zur Umstrukturierung der Wirtschaft starten.

Der Minister sieht die Bundesrepublik wegen des weltweiten Shutdowns durch die Corona-Krise in der tiefsten Rezession ihrer Geschichte. Die Wirtschaftsleistung werde 2020 um 6,3 Prozent schrumpfen, die Zahl der Arbeitslosen um 350.000 auf jahresdurchschnittlich 2,62 Millionen zunehmen. Erstmals seit vielen Jahren sinke auch die Zahl der Erwerbstätigen – und zwar um insgesamt 370.000 auf dann 44,9 Millionen. Besonders betroffen seien Gastgewerbe, Handel und Unternehmensdienstleistungen. Die Kurzarbeit werde im März und April in „noch nie dagewesenem Ausmaß“ ansteigen.

Die Exporte dürften nach der Regierungsprognose um 11,6 Prozent in diesem Jahr zurückgehen, die Importe um 8,2 Prozent. Bei den Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen erwartet die Regierung ein Minus von 15,1 Prozent. Die privaten Konsumausgaben dürften um 7,4 Prozent einbrechen.

Doch in der zweiten Jahreshälfte erwartet der Wirtschaftsminister eine schrittweise Lockerung der Kontaktbeschränkungen, was eine verhaltene gesamtwirtschaftliche Erholung ermögliche. Im kommenden Jahr werde die Wirtschaft dann wieder kräftig aufholen und um 5,2 Prozent wachsen, so die Prognose. Zu Jahresbeginn 2022 könnten die Verluste aus 2020 wieder ganz ausgeglichen sein – vorausgesetzt, es komme im Mai und Juni zu weiteren Lockerungen der Corona-Maßnahmen und nicht zu einem Rückfall bei den Neu-Infektionen, sagte Altmaier. Das kräftige Wachstum 2021 begründete der Leiter der Konjunkturabteilung im Wirtschaftsministerium, Philipp Steinberg, damit, dass die Wirtschaft derzeit sehr stark unterausgelastet sei. Normalerweise sollte die Wirtschaft mittelfristig zurückkehren zu ihrem gewohnten Produktionspotenzial.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es durch staatliche Maßnahmen gelingt, für wieder mehr Vertrauen bei Investoren und Konsumenten zu sorgen. Er wolle mit seinem Vier-Punkte-Plan eine „Perspektive der Hoffnung für einen wirtschaftlichen Neustart“ schaffen, so Altmaier. Dabei wird dem angekündigten Konjunkturprogramm eine entscheidende Rolle zukommen. Es müsse vom Volumen her aber nicht größer sein als das Programm in der Finanzkrise 2009, als der Staat die Wirtschaft mit 86 Milliarden Euro ankurbelte.

Insgesamt habe der Staat in der Corona-Krise bereits einen Schutzschirm für die Wirtschaft im Volumen von annähernd einer Billion Euro auf den Weg gebracht, weitere Maßnahmen sollen folgen, so Altmaier. Unter Hochdruck werde derzeit an den Kritierien für den Einstieg des mit 600 Milliarden Euro gefüllten staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) gearbeitet. Mit bis zu zehn Milliarden Euro könnte der WSF etwa der Lufthansa aushelfen. Allerdings soll der Staat dadurch laut Altmaier keinen direkten Einfluss auf den Konzern erhalten. „Es ist mir wichtig, dass wir nicht den Fehler machen, zu glauben, dass der Staat unternehmerische Entscheidungen treffen kann oder soll“, sagte er. Außerdem sollten alle Maßnahmen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zeitlich begrenzt werden. Zugleich erwarte er, dass gestützte Unternehmen selbst keine Dividenden ausschütteten und das Management keine Bonuszahlungen erhalte.

Mehrere Wirtschaftsverbände drängten die Regierung, jetz schnelle Lockerungen anzukündigen. In einem Schreiben mehrerer Verbände an Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) heißt es: „Jede Woche, die der Lockdown weiter andauert, kostet die deutsche Volkswirtschaft einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag an Wertschöpfung.“ Keine Volkswirtschaft der Welt könne dies über Monate aushalten, ohne nachhaltigen Schaden und auch erhebliche Wohlstandsverluste hinzunehmen. Das wirtschaftliche Leben müsse ab dem 4. Mai reaktiviert werden. „Die Angst in den Unternehmen vor dem Untergang schlägt in tiefe Verzweiflung und mitunter auch in Fassungslosigkeit um, wenn existenzielle Entscheidungen im Wochentakt vertagt werden“, heißt es.

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