Antworten Alles über das neue Rentenpaket

Berlin · Die Reform bringt Müttern für jedes vor 1992 geborene Kind rund 28 Euro mehr im Monat. Langjährig Versicherte können nun schon ohne Abschläge mit 63 gehen. Viele Erwerbsminderungsrenten steigen um 40 Euro.

So funktioniert die Rente mit 63
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So funktioniert die Rente mit 63

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Kaum ein Vorhaben der großen Koalition ist in der Bevölkerung so beliebt und in der Wirtschaft so umstritten. Ab heute ist das Rentenpaket mit Mütterrente, abschlagsfreier Rente ab 63 und verbesserter Erwerbsminderungsrente in Kraft.

Wer kann die Rente mit 63 nutzen?

Wer 63 Jahre (und älter) ist, 45 Jahre lang in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat und noch keine Rente bezieht, kann von nun an die "Altersrente für langjährig Versicherte" bekommen. Das sind laut Arbeitsministerium allein in diesem Jahr 200 000 Personen.

Warum steigt die Grenze?

Da die Regelaltersgrenze schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben wird, steigt auch die Grenze zur "Altersrente für langjährig Versicherte". Wer Jahrgang 1953 ist, kann (wenn alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind) mit 63 Jahren und zwei Monaten gehen, Jahrgang 1954 mit 63 Jahren und vier Monaten und so fort. Für die Jahrgänge ab 1964 liegt die Grenze für den vorzeitigen Rentenbeginn bei 65 Jahren.

Kann man einen alten Rentenantrag zurückziehen?

Wer bereits im Ruhestand ist, kann die neue Regelung nicht nachträglich nutzen. Wer den Rentenantrag zwar gestellt hat, aber noch keinen bindenden Rentenbescheid erhalten hat, kann seinen Antrag dagegen zurückziehen und einen Antrag nach neuem Recht stellen. Bindend ist ein Rentenbescheid, wenn er nicht mehr angefochten werden kann, etwa weil die Widerspruchsfrist abgelaufen ist.

Welche Zeiten zählen?

Bei der Berechnung der 45 Versicherungsjahre zählen alle Zeiten, in denen der Betroffene (sozialversicherungspflichtig oder selbstständig) gearbeitet und Pflichtbeiträge an die Rentenkasse gezahlt hat. Es zählen auch Zeiten aus Wehr- und Zivildienst. Nicht berücksichtigt werden dagegen Zeiten des Schul- und Hochschulbesuchs.

Was gilt für Selbstständige?

Selbstständige, die 18 Jahre Pflicht-Beiträge und danach weiter freiwillig an die Rentenkasse gezahlt haben, können mit 63 in Rente gehen. Derzeit zahlen 300 000 Selbstständige freiwillig Beiträge.

Werden Zeiten der Arbeitslosigkeit anerkannt?

Es werden alle Zeiten berücksichtigt, in denen Betroffene die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I bezogen und somit die Arbeitsagentur für ihn Rentenbeiträge entrichtet hat. Dagegen bleiben Zeiten unberücksichtigt, in denen der Betroffene die Fürsorgeleistung Hartz IV (Arbeitslosengeld II) erhalten und die Arbeitsagentur keine Beiträge gezahlt hat. Um auszuschließen, dass Arbeitnehmer sich mit 61 arbeitslos melden, um nach zwei Jahren abschlagsfrei in Rente zu gehen, wird ein "rollierender Stichtag" eingeführt. Jeweils die letzten zwei Jahre Arbeitslosigkeit vor Renteneintritt werden nicht auf die 45 Versicherungsjahre angerechnet.

Kann bei der Rente ab 63 unbegrenzt hinzuverdient werden?

Nein, bis Erreichen der Regelaltersgrenze kann kaum dazuverdient werden. Ein Mini-Job (bis 450 Euro im Monat) ist unproblematisch und führt nicht zu einer Rentenkürzung. Liegt der Nebenverdienst höher, wird die Rente gekürzt. Nach Erreichen der Regelaltersgrenze (spätestens ab 67) können Rentner ohne Begrenzung hinzuverdienen.

Nun startet auch die Mütterrente. Wer bekommt sie?

Frauen (und Männer), deren Kinder vor 1992 geboren wurden, haben Anspruch auf eine um 28,14 Euro (Osten: 25,74) höhere Rente pro Kind und Monat. Das sind 9,3 Millionen Frauen und 150 000 Männer. Für sie werden von nun an zwei Jahre statt ein Jahr bei der Rente gutgeschrieben. Diese Mütter erhalten 56,28 Euro pro Kind und Monat. So wird die Gerechtigkeitslücke etwas geschlossen. Für jedes Kind, das nach 1992 geboren wurde, gibt es weiterhin 84,42 Euro im Monat.

Wie sieht es für Mütter aus, die bisher keine Rente erhalten?

Voraussetzung für eine gesetzliche Rente ist, dass man mindestens fünf Versicherungsjahre nachweisen kann. Von nun an kann eine Frau, die vor 1992 drei Kinder geboren hat und nie erwerbstätig war, erstmals Rente bekommen. Bislang wurden ihr für drei Kinder drei Jahre gutgeschrieben, so dass sie die Voraussetzung nicht erfüllte. Künftig sind es sechs Jahre, und sie erhält rund 168 Euro Rente pro Monat.

Wie sieht es für Beamte aus?

Die Mütterrente ist bislang nicht ins Beamtenrecht übertragen, und dies ist auch nicht geplant. Jedoch können Beamtinnen (und Beamte) mit vielen Kindern oder durch eigene Rentenzeiten in den Genuss der Mütterrente kommen. Gleiches gilt für Selbstständige. Es müssen mindestens fünf Rentenpunkte vorhanden sein, damit eine Rente gezahlt wird. Nun ist dies auch für Eltern mit vor 1992 geborenen Kindern allein durch drei Kinder der Fall.

Wird das Geld mit der Juli-Rente überwiesen?

Die erhöhte Mütterrente gilt zwar ab heute. Aus organisatorischen Gründen wird sie aber später rückwirkend ausgezahlt. Zudem handelt es sich dabei um Brutto-Zahlungen. Auf sie müssen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden sowie Einkommensteuer, falls die Empfängerin steuerpflichtig ist.

Gibt es eine Nachzahlung?

Nein. Für die vergangenen Jahre wird keine Mütterrrente nachgezahlt. Solche Stichtags-Regelungen sorgen zwar stets für Ärger, sind in der Sozialversicherung aber üblich.

Muss man die Rente beantragen?

Grundsätzlich nicht. Wer Rentnerin ist und bereits die Erziehungszeiten bei der Rente geltend gemacht hat, also schon eine Mütterrente bezieht, erhält den Zuschlag automatisch. Auch wer noch nicht Rentner ist, aber die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten bereits geltend gemacht hat, braucht nicht von sich aus tätig zu werden. Nur Rentner und Arbeitnehmer, die ihre Erziehungsjahre noch nie geltend gemacht haben, müssen einen Antrag bei der Rentenversicherung stellen.

Führt die Mütterrente zu einer Kürzung der Grundsicherung?

Ja. Wer mehr Mütterrente bekommt, wird entsprechend an Grundsicherung verlieren. Denn die Grundsicherung ist eine Fürsorge-Leistung, durch die höhere Mütterrente verringert sich die Bedürftigkeit ein wenig. Knapp drei Prozent der Anspruchsberechtigten leben von Grundsicherung im Alter.

Was ist mit Top-Verdienern?

Es gibt einige Frauen, die kurz nach der Geburt wieder erwerbstätig waren und deren Verdienst so hoch lag, dass sie bis zur Beitragsbemessungsgrenze in die Rentenversicherung einbezahlt haben. Ihr Rentenanspruch ist bereits maximal, kann sich also nicht mehr erhöhen. Diese Frauen haben also nichts von der neuen Mütterrente.

Was ändert sich bei der Erwerbsminderungsrente?

Die Zurechnungszeit wird von nun an um zwei Jahre verlängert. Das heißt, Erwerbsgeminderte werden so gestellt, als ob sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen bis zum 62. statt wie bisher bis zum 60. Geburtstag weitergearbeitet hätten. Die Neuregelung gilt für alle Erwerbsminderungsrenten, die ab jetzt beginnen.

Wie stark steigen die Erwerbsminderungsrenten?

Durch die Verlängerung der Zurechnungszeit fallen die Erwerbsminderungsrenten im Durchschnitt monatlich um rund 40 Euro brutto höher aus als nach altem Recht.

Ändert sich auch etwas bei der Witwenrente?

Ja, die Verlängerung der Zurechnungszeit bis 62 wirkt sich auch auf andere Renten aus, in denen diese eine Rolle spielt. So wird auch bei Witwen- und Waisenrenten die Zurechnungszeit verlängert, wenn der Verstorbene bei seinem Tod das 62. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und die Rente von jetzt an beginnt.

(qua)
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