Düsseldorf Aldi, bitte einmal volltanken

Düsseldorf · Discounter und Supermärkte entdecken die Mobilität. Sie locken ihre Kunden immer öfter mit Elektro-Tankstellen und Carsharing-Stationen. Das nützt dem Image des Handelsunternehmens – und sorgt für Kundenbindung.

 Ein Wegweiser zur nächsten Station: Aldi hat die erste von 28 neuen Schnellladesäulen in Betrieb genommen.

Ein Wegweiser zur nächsten Station: Aldi hat die erste von 28 neuen Schnellladesäulen in Betrieb genommen.

Foto: dpa/Silas Stein

Im neuesten Kinospot wirkt der Discounter, als plane er bald ein Raumfahrtprogramm. In dem Clip stoßen hungrige Astronauten auf eine Aldi-Filiale im All und schweben anschließend überglücklich durch die Gemüseabteilung. Die Botschaft: Aldi ist modern – und unserer Zeit voraus. Das Versprechen will der Konzern nun auch im realen Leben einlösen. Und zwar beim Thema Elektromobilität.

Aldi Süd plant, 28 Filialen in der Nähe der großen deutschen Autobahnen mit Schnellladesäulen auszurüsten, an denen die Kunden ihre E-Autos kostenlos laden können. Im hessischen Seeheim-Jugenheim ging Anfang der Woche die erste Stromstation in Betrieb. In Großstädten hat der Discounter bereits 2015 Ladesäulen installiert. Auch bei den Konkurrenten Lidl, Rewe und Kaufland können Kunden mittlerweile Elektrofahrzeuge laden.

Was klingt, als wollten Supermärkte und Discounter bloß am Image schrauben – der Marktanteil von E-Autos liegt derzeit immerhin nur bei knapp zwei Prozent – ist ein langfristiges Kalkül. „Zu einem Supermarkt, bei dem Kunden E-Autos nicht laden können, wird in Zukunft niemand mehr hingehen“, sagt der Berliner Mobilitätsexperte Andreas Knie und ergänzt: „Von den klassischen Tankstellen wird man sich verabschieden müssen.“

Die ausgewählten Aldi-Filialen liegen nach Unternehmensangaben maximal fünf Minuten Fahrzeit von den Autobahnen A3, A5, A6, A7, A8 und A9 entfernt. Wer die Autobahnkarten vor Augen hat, bemerkt es sofort: Die Stationen finden sich nur in Süd- und Westdeutschland, dort, wo Aldi Süd präsent ist. Das Schwesterunternehmen Aldi Nord macht bei der Aktion nicht mit. „Aldi Nord verfügt derzeit über keine Ladestationen für Eletronik-Fahrzeuge“, räumte das Unternehmen auf Anfrage ein. Ein Grund dafür sei, dass es noch mehrere verschiedene Ladesysteme gebe, man den Kunden aber gern eine einheitliche Lösung anbieten wolle.

Öffentliche Stromladestationen sind in Deutschland bislang noch recht dünn gesät, und Schnellladesäulen haben geradezu Seltenheitswert. Immer mehr Händler wollen dazu beitragen, die Lücken im Netz wenigstens ein bisschen zu schließen. Sogar Ikea. Das schwedische Möbelhaus hat inzwischen zwei Drittel seiner 53 Einrichtungshäuser mit E-Tankstellen ausgestattet. Bis 2019 sollen die restlichen Standorte folgen. Besonders am Wochenende werde das Angebot rege genutzt, heißt es beim Unternehmen. Auch der Lebensmittelhändler Rewe hat an seinen Läden mehr als 50 Ladesäulen eingerichtet. Die Ladenkette Kaufland will bis Anfang 2019 mehr als 100 Schnellladestationen zur Verfügung stellen. Lidl bietet zudem an neun Filialen die Möglichkeit, Strom zu tanken. „Unser Ziel ist es, zukünftig jede neu eröffnete Filiale mit einer E-Ladesäule auszustatten“, teilt das Unternehmen mit.

Auf den Parkplätzen deutscher Supermärkte und Discounter passiert derzeit indes noch viel mehr. Die großen Handelsketten haben das Thema Mobilität für sich entdeckt. Wer beispielsweise kein Auto hat, um schwere Tüten nach Hause zu bringen, kann sich bei Lidl bald ein Fahrzeug leihen. Der Discounter kündigte am Donnerstag an, ins Carsharing-Geschäft einsteigen zu wollen. Testen will Lidl ein stationsbasierte Modell zusammen mit dem Autobauer Mazda in Nordrhein-Westfalen. Ab September können Kunden an 50 Filialen insgesamt 150 Autos leihen. Das Fahrzeug muss allerdings spätestens fünf Tage nach dem Einkauf wieder zurückgebracht werden. Auch Aldi hat im Oktober ein Carsharing-Projekt gestartet. Die Testphase läuft im Rhein-Main-Gebiet an 43 Standorten mit 100 Fahrzeugen. Der Discounter kooperiert dort mit dem Anbieter App2drive.

Für den Marketing-Experten Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU ist klar, dass die Händler mit solchen Angeboten ihr Image aufpolieren wollen „Für die Unternehmen lohnt sich das Engagement beim Thema Elektromobilität auf jeden Fall. Die Marke wirkt dadurch jugendlicher und umweltfreundlicher“, sagt er. Es gehe aber auch darum, eine attraktive, zahlungskräftige Kundengruppe anzulocken, etwa mit den Ladesäulen für E-Autos. Denn nur Wohlhabende könnten sich die bislang leisten.

Ob die Strategie aufgeht, ist unklar. Die Nachfrage scheint bisher recht überschaubar. Aldi registriert je Station durchschnittlich „vier bis fünf Ladevorgänge pro Öffnungstag“. Die Zahl habe sich in den vergangenen Jahren aber positiv entwickelt, teilt das Unternehmen mit. Stromkosten verursacht das Autoladen übrigens kaum. Aldi betreibt in allen teilnehmenden Filialen Photovoltaik-Anlagen. (mit dpa)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort