Kolumne Kurt Von Storch Aktionäre brauchen Zeit

Anleger sollten bei Investments auf die Qualität der Anlage und auf ihren eigenen Anlagehorizont achten.

Es gibt Sätze, die dürfte jeder Bankkunde schon mal von seinem Berater gehört haben, zumindest sinngemäß: "Hohe Renditen gibt es nur, wenn man bereit ist, entsprechend große Risiken einzugehen." So weit, so wahr. Jedem Anleger leuchtet das ein. Viel wichtiger als dieser schlichte Befund ist aber die Frage, was der Begriff Risiko eigentlich bedeutet, beziehungsweise, worin sich die Risiken ausdrücken.

Für viele Wirtschaftswissenschaftler ist die Sache einfach: Eine Anlage ist riskant, wenn sie stark schwankt, also - akademisch ausgedrückt - sehr volatil ist. Volatilität lässt sich leicht messen, sie macht den abstrakten Begriff "Risiko" greifbar, zumindest in der Theorie. Bei Akademikern ist sie daher so beliebt. Im wahren Leben hat die Theorie jedoch entscheidende Schwächen.

Denn was sagt es aus, dass ein Aktienkurs stark schwankt? Wenn er sehr schnell und sehr stark gestiegen ist - ist das Investment dann riskant? Sollte der Anstieg fundamental nicht gerechtfertigt sein, womöglich. Aber falls doch, ist der Kauf der Aktie dann auch riskant? Und wie sieht es aus, wenn der Kurs kräftig gefallen ist? Warum sollte der Kauf eines Anteilsscheins zum Preis von 50 riskanter sein als zu einem Preis von 100, wenn sich an dem Unternehmen nichts Grundlegendes verändert hat? Warren Buffett, der weltbekannte Investor aus Omaha, hat einmal ganz treffend gesagt: "That's where they lost me" - an diesem Punkt hätten sie ihn verloren. Deshalb gilt: Volatilität sagt grundsätzlich nichts über das Risiko aus.

Lassen Sie uns auf Weltreise gehen. Stellen Sie sich vor, wir wären ein Jahr unterwegs - Asien, Afrika, Amerika. Zum Abschluss ein paar Wochen auf dem alten Kontinent, Europa. Wir haben keinen Internetzugang, keine Zeitung, sehen nicht fern, bekommen also nicht mit, was an der Börse geschieht.

Bevor wir unsere Reise antreten, kaufen wir die Aktien zweier Unternehmen, A und B. Der Kurs von A schwankt deutlich stärker als der von Unternehmen B. Während unserer Reise fällt er von 100 auf 80 Euro, erholt sich dann leicht, um erneut zurückzufallen. In der zweiten Jahreshälfte startet dann eine Rally; sie treibt den Kurs auf 120 Euro. Die Aktie von Unternehmen B dagegen schwankt kaum; als wir nach Hause zurückkehren und den Kursteil der Tageszeitung aufschlagen, sehen wir ihren Kurs bei 108 Euro. Über welche Aktie freuen wir uns wohl mehr? Klarer Fall, Unternehmen A; von den kräftigen Schwankungen haben wir schließlich nichts mitbekommen.

Riskant ist eine Geldanlage nur dann, wenn sie zu einem dauerhaften Verlust führt, ganz unabhängig von der Volatilität. Wer ein Konto bei der falschen Bank hat, mit mehr als den gesetzlich geschützten 100.000 Euro darauf, könnte einen Teil seines Geldes verlieren, sollte die Bank in Schwierigkeiten geraten. Die Sparer auf Zypern haben eine solche Erfahrung bereits machen müssen. Mit Volatilität hat das alles nichts zu tun; ein Risiko ist es dagegen sehr wohl.

Oder nehmen wir eine Bundesanleihe mit einjähriger Laufzeit und einer Rendite von minus 0,3 Prozent. Am Ende der Laufzeit macht der Anleger Verlust. Gemäß der Theorie ist das kein Risiko, weil ja der Verlust "sicher" ist und nichts schwankt. Was für ein Unfug! Anleger tun gut daran, Volatilität nicht mit Risiko gleichzusetzen.

Zwei Dinge sollten Anleger beachten: die Qualität der Unternehmen, in die sie investieren, und den Anlagehorizont - beides spielt bei der Risikobetrachtung eine Rolle. Kursschwankungen können nur die ertragen, die ihr Vermögen langfristig investieren. Im Falle von Aktien sollte man etwa zehn Jahre einplanen; wer die Zeit nicht hat, ist an der Börse nicht gut aufgehoben.

DER AUTOR IST GRÜNDER UND VORSTAND DER FLOSSBACH VON STORCH AG.

(RP)
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