Düsseldorf Mehrarbeit statt Kündigung bei Air Berlin

Düsseldorf · Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft will erneut 200 Stellen abbauen. Kündigungen sollen vermieden werden. Stattdessen laufen die Sondierungen für unbezahlte Mehrarbeit. Schwarze Zahlen sind wohl erst wieder 2016 in Sicht.

Wenn Air Berlin wie am späten Mittwochabend mal wieder ein neues Sparprogramm ankündigt, bekommen die rund 8000 Mitarbeiter es mit der Angst zu tun: Deutschlands zweitgrößte Airline schreibt mit einer Ausnahme seit sechs Jahren Verluste, hat fast die gesamte Flugzeugflotte verkauft, das Streckennetz mehrfach zusammengestrichen, das Eigenkapital längst verbraucht und nach Abschluss des jüngsten Geschäftsjahres 796 Millionen Euro Schulden. Wo soll da noch gespart werden? Kommt jetzt die Kündigung?

"Wir werden 200 Stellen in der Berliner Verwaltung abbauen und dabei auf Kündigungen verzichten", sagte gestern der neue Unternehmenssprecher Aage Dünhaupt, der vor wenigen Wochen Uwe Berlinghoff abgelöst hat. "Die Kunden werden davon nichts merken", verspricht er. Aber wie belastbar ist dieses Versprechen? Im Frühjahr hatte Air Berlin schon einmal 200 Stellen gestrichen - ebenfalls ohne Kündigungen und angeblich ebenfalls, ohne dass die Kundschaft darunter leidet. Damals wurde das Callcenter in Berlin ausgegliedert. Die Klagen von Fluggästen, die Airline sei schlecht zu erreichen und helfe telefonisch bei Problemen nicht weiter, sind seither nicht weniger geworden. Andererseits: Trotz Dauerkrise hat Air Berlin bislang auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet.

Stattdessen sollen die Mitarbeiter nun offenbar mehr arbeiten. Wie es in Arbeitnehmerkreisen heißt, hat der Konzern im Düsseldorfer Technikzentrum bereits angefragt, ob Bereitschaft zur unbezahlten Erhöhung der Wochenarbeitszeit besteht. Dort warten 930 Air-Berlin-Mitarbeiter Flugzeuge. Und wenn es nach Air Berlin geht, sollen sie zunehmend auch Maschinen anderer Fluggesellschaften warten. So soll frisches Geld in die Kasse kommen.

Die Betriebsräte haben die Manager zur Klärung der Frage an die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verwiesen. Verhandlungen mit Verdi über ein Sanierungsprogramm inklusive unbezahlter Mehrarbeit scheut der Konzern nach Informationen unserer Zeitung aber noch. "Wir würden uns natürlich den Ausschluss von Kündigungen und ein Gutachten von einem neutralen Wirtschaftsprüfer garantieren lassen", heißt es bei Verdi, "davor schreckt Air Berlin aber wohl noch zurück." Dem Konzern ist das Thema unangenehm. Dass "Mitarbeiter in einzelnen Unternehmensteilen um Mehrarbeit gebeten wurden, ist nicht ausgeschlossen", so der Sprecher.

Im laufenden Jahr befürchtet Air Berlin nach einem herben Gewinneinbruch im Sommer und hohen Rückstellungen für das neue Sparprogramm unter dem Strich mehr als 350 Millionen Euro Verlust. Das sagte Finanzchef Ulf Hüttmeyer gestern nach Vorlage der aktuellen Quartalszahlen. Im vergangenen Jahr lag der Nettoverlust bei rund 316 Millionen Euro. Das neue Sparprogramm hat keinen Namen und soll das Sparprogramm "Turbine" ergänzen, das seit November 2012 läuft. Mit "Turbine" will Air Berlin bis Ende des laufenden Jahres 900 Stellen abgebaut haben - 850 davon sind bereits weggefallen. Einschließlich des neuen Paketes soll die Stellenzahl nun auf 7400 sinken. Das neue Sanierungsprogramm soll das Ergebnis bis 2016 um 400 Millionen Euro verbessern - und dann endlich wieder für schwarze Zahlen sorgen. Für die Zeit bis dahin wagt Hüttmeyer keine Prognosen.

Spekulationen, Air Berlin werde das Streckennetz weiter zusammenstreichen, bestätigt der Konzern nicht. Allerdings ist die Zusammenlegung von Flügen mit der ebenfalls angeschlagenen Alitalia geplant. Zu den weiteren Sparmaßnahmen gehört die Umstellung der aktuell gut 140 Maschinen starken Flotte auf einen reinen Airbus-Betrieb. Bislang flog Air Berlin auch mit Boeings, was ein doppeltes Wartungssystem notwendig machte. Eine frühere Bestellung neuer Boeing-Maschinen hat Air Berlin wieder storniert.

Die Fluggesellschaft leidet unter den Spätfolgen einer übereilten Expansion und der wachsenden Konkurrenz durch Billigairlines wie Ryanair.

(RP)
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