Berlin Rein in die Karibik - raus aus der Karibik

Berlin · Ende September gibt Air Berlin die Strecken in die Karibik auf, Condor und Eurowings stoßen in die Lücke. Dabei fordert Eurowings allerdings als Voraussetzung für eine weitere Expansion am Rhein, dass der Flughafen wirklich besser läuft.

Air-Berlin-Insolvenz: Rein in die Karibik - raus aus der Karibik
Foto: dpa

Deutlicher lässt sich die Zukunft von Air Berlin nicht demonstrieren: Zum 25. September beendet die insolvente Airline ihre Verbindungen nach Curacao, Cancun (Mexiko), Havanna und Varadero in Kuba sowie zwei Ziele in der Dominikanischen Republik, weil ein Leasingvertrag für zehn Jets gekündigt worden ist. Nun starten ab November Jets von Condor und Eurowings zu fast den gleichen Zielen. "Damit bringen wir auch die ehemaligen Kunden von Air Berlin an ihr Ziel", verkündete Condor gestern selbstbewusst, nimmt aber kein einzeln gebuchtes Air-Berlin-Ticket in Zahlung. "Wir nutzen die Lücke", heißt es bei Eurowings.

Beide Airlines gehen mit Discountpreisen in den Wettbewerb: Condor verkauft die ersten 1000 Tickets in die Karibik für 99 Euro, Eurowings bietet Flüge ab 199,99 Euro an. "Konkurrenz belebt das Geschäft", sagt der Airline-Experte Gerald Wissel aus Hamburg.

Eurowings und Condor können die Flüge anbieten, ohne von der Air Berlin Betriebsteile und Flugrechte kaufen zu müssen, weil diese die Rechte verfallen ließ. Bei anderen Strecken gibt es dagegen ein hartes Pokern. "Viele Routen sind sehr begehrt", sagt ein Insider bei Air Berlin. "Wenn Aufsichtsrat und Gläubigerausschuss am Montag verkünden, wie es weitergeht, werden viele Strecken sicher weitergeführt." Und das sind die Ziele der Akteure.

Der Lufthansa-Ableger will speziell in Düsseldorf einen großen Teil der Kurz- und Langstreckenflüge von Air Berlin übernehmen, um seine Dominanz am drittwichtigsten Flughafen Deutschlands auszubauen. Allerdings stellt Eurowings-Geschäftsführer Oliver Wagner eine Bedingung: Er verlangt, "dass sich die Betriebsabläufe am Flughafen Düsseldorf signifikant verbessern und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen". Gemeint ist insbesondere, dass die langen Wartezeiten aufhören müssen. Bisher bietet Eurowings in NRW nur Langstreckenflüge ab Köln an. Jetzt will man die Airports gegeneinander ausspielen.

Auch um eine zu starke Position von Eurowings zu vermeiden, will Condor mit dem Ex-Rennfahrer Niki Lauda rund 40 Ferienstrecken von Air Berlin und des einst von Lauda gegründeten Ablegers Niki übernehmen. Condor ist eine Tochter von Thomas Cook.

Es gilt als sicher, dass der britische Billigflieger Strecken ab Berlin übernehmen will, weil die Airline dort schon präsent ist. Aber auch Düsseldorf würde als neuer Standort gut passen, um Rennstrecken wie nach Hamburg, München, Zürich und Berlin abzudecken. Kenner der Verhandlungen halten es für denkbar, dass Easyjet gezielt mit einem Zugriff für die NRW-Hauptstadt zögert, um den Preis zu drücken. Als Alternative könnte British Airways einspringen.

Der Unternehmer aus Nürnberg gilt als chancenlos beim Poker um Air Berlin, weil er nur 50 Millionen Euro als sichere Zahlung anbietet. Auch ein Angebot des früheren EnBw-Chefs Utz Claassen für das Gesamtunternehmen hat kaum Aussichten, angenommen zu werden.

Laut Gesetz ist ein Ziel des Insolvenzverfahrens, dass die Gläubiger einen möglichst hohen Teil ihrer Kredite zurückerhalten. Experten rechnen mit einer Abfindungsquote von maximal zehn Prozent. Zu den Gläubigern zählt auch der Bund. Falls es Air Berlin nicht gelingt, den staatlichen Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro zurückzuzahlen, wäre das ein Desaster. Vielleicht wird auch darum über die Zerschlagung von Air Berlin erst am Tag nach der Bundestagswahl entschieden.

Die rund 8000 Mitarbeiter müssen zittern. Zwar haben Flugbegleiter und Piloten eine gute Chance, von neuen Streckenbetreibern übernommen zu werden. Doch alte Tarifverträge will keiner übernehmen. In der Zentrale in Berlin drohen viele Kündigungen. In der Technik in Düsseldorf hofft man.

Air Berlin verkauft weiter Flüge für den gesamten Winter. Das Unternehmen geht also davon aus, fast alle Strecken zur Fortführung abgeben zu können. Eingezahltes Geld landet angeblich auf einem Treuhandkonto. Es gibt also eine gewisse Chance auf Rückzahlung - aber keineswegs Sicherheit.

(RP)
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