Willi Meixner Ägypten-Auftrag verschafft Siemens Luft bei Jobabbau

Der Siemens-Bereichschef für konventionelle Kraftwerke bekräftigt, dass es in Mülheim keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll.

Herr Meixner, heute demonstriert die Siemens-Belegschaft gegen den Abbau von 900 Stellen in Mülheim und Essen. Wird der Personalabbau nun wegen des Acht-Milliarden-Euro-Auftrages aus Ägypten gestoppt?

Meixner Ich wünschte, es wäre so einfach. Es bleibt dabei, dass wir die Kosten herunterfahren müssen, um bei sinkenden Preisen für Kraftwerke und Kraftwerkskomponenten wettbewerbsfähig bleiben zu können. Aber Ägypten verschafft uns Luft, um die notwendigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Aus Mülheim werden zwölf Dampfturbinen und 20 von insgesamt 24 Generatoren für Ägypten geliefert.

Wie wichtig ist der Ägypten-Auftrag?

Meixner Das ist gewaltig. Siemens hat noch nie einen größeren Einzelauftrag an Land gezogen. Und Siemens Mülheim mit seinen aktuell 4800 Mitarbeitern profitiert davon.

Verliert Mülheim durch den Abbau der Jobs an Bedeutung im Konzern?

Meixner Nein, umgekehrt. Der Standort gewinnt durch den Umbau als Leitwerk für Dampfturbinen an Wettbewerbsfähigkeit. Wir investieren verstärkt in Forschung und Entwicklung in Mülheim. Aber wir müssen einen Teil der Fertigung an Partnerwerke abgeben, um so die Kosten im Griff zu halten.

Könnten Arbeitsplätze gesichert werden, indem Kollegen mit nach Ägypten gehen, um da den Aufbau der Kraftwerke zu unterstützen?

Meixner Es gibt sicher auch Möglichkeiten für Kollegen in Mülheim, in anderen Bereichen bei Siemens eine neue Beschäftigung zu finden, falls ihr Arbeitsplatz wegfällt. Immerhin hat Siemens in Deutschland in den vergangenen Monaten insgesamt 3000 Mitarbeiter eingestellt. Aber ich will hier auch nicht zu viele Hoffnungen wecken, das wird nicht in allen Fällen klappen. Und weil unsere Kunden darauf drängen, dass die Wertschöpfung zum großen Teil auch vor Ort erledigt werden kann, könnte es auch für Kollegen aus Mülheim Möglichkeiten geben.

Könnten hunderte Mülheimer Kollegen nach Ägypten gehen?

Meixner Langsam! Eine solche Beschäftigung im Ausland findet sowieso nur auf freiwilliger Basis statt, außerdem brauchen wir in Ägypten nur sehr spezielle Kräfte. Das sind beispielsweise Spezialisten für Projektleitung, Montage oder Inbetriebnahme. Es wird also nur einzelne Lösungen geben, um Kollegen aus Mülheim in Ägypten und anderen Standorten weiterzubeschäftigen.

Werden die Gewinne aus dem Ägypten-Auftrag einen besonders großzügigen Sozialplan ermöglichen?

Meixner Siemens ist dafür bekannt, dass wir mit unseren Beschäftigten fair umgehen. Wir haben uns in einem Abkommen mit der IG Metall und dem Betriebsrat klar dazu bekannt, dass wir keine betriebsbedingten Kündigungen wollen. Ansonsten halten wir uns an die im Konzern üblichen Standards und gehen jetzt erstmal in die Gespräche mit den Betriebsräten.

Ihr Vorstandschef Joe Kaeser hat dem IG-Metall-Chef in NRW vorgeworfen, weltfremd zu sein, da er so hart gegen den Umbau polemisiert.

Meixner Richtig ist, dass wir und auch die Arbeitnehmerseite sich den harten Gegebenheiten des Marktes stellen müssen, damit Siemens gut dasteht und ein solider Arbeitgeber ist. Und da müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass trotz des Ägypten-Auftrages die Zahl der vergebenen Projekte im Gas- und Dampfbereich in den vergangenen Jahren massiv nach unten gegangen ist. Die Auftraggeber drängen auch immer mehr auf Produktion vor Ort.

REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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