Berlin 65 Euro Entlastung bei 5000 Euro Lohn

Berlin · Der Steuerzahler-Bund hat für Musterhaushalte die Folgen der SPD-Pläne berechnet und hält höhere Entlastungen für möglich. Die Wirtschaft warnt vor Nachteilen für den Mittelstand. CDU-Chefin Merkel will den Soli ganz abschaffen.

Mit ihren Steuerplänen hat die SPD ein geteiltes Echo ausgelöst. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sieht darin einen gelungenen Wurf zur Entlastung von Klein- und Mittelverdienern. Die oberen zehn Prozent der Gesellschaft würden stärker belastet. Dem Bund der Steuerzahler (BdSt) gehen die Entlastungen dagegen nicht weit genug. "Der SPD-Vorschlag geht zwar in die richtige Richtung, aber er lässt deutliche Entlastungen außen vor", sagte dessen Präsident Reiner Holznagel.

Das Institut des Steuerzahlerbundes hat für unsere Redaktion ausgerechnet, wie sich die Pläne auf fünf Musterhaushalte auswirken (Grafik). Danach wird ein Single, der ein monatliches Bruttoeinkommen von 3000 Euro hat und bislang 455 Euro an Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zahlt, um 29 Euro im Monat entlastet. Ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern, das auf 5000 Euro brutto kommt und bisher mit 676 Euro belastet ist, würde um 65 Euro im Monat entlastet. Der Reformvorschlag, den der Bund der Steuerzahler vorgelegt hat, sieht in den Fällen dagegen Entlastungen von 116 und 167 Euro vor. Der Steuerzahlerbund fordert eine stärkere Abflachung des "Mittelstandsbauchs" und die Streichung des Solidaritätszuschlags.

Die SPD hat am Montag ihr Konzept vorgestellt: Danach soll der bisherige Spitzensatz von 42 Prozent erst später greifen: für Ledige erst ab einem zu versteuerenden Jahreseinkommen von 60.000 (statt wie bisher ab 54.058 Euro). Dies entspricht einem Bruttojahreseinkommen (Single) von 70.500 Euro. Zugleich soll der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent steigen und ab einem zu versteuernden Einkommen von 76.200 fällig sein. Zudem will die SPD den Soli, den Zuschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommensteuer, ab 2020 für kleinere Einkommen abschaffen. Davon profitieren Singles bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 17.000 Euro.

Gestern bekräftigte Kanzlerin Angela Merkel, dass ihre Partei den Soli komplett abschaffen will. "Wir wollen den Solidaritätszuschlag ab 2020 schrittweise abschaffen und zwar für alle", sagte Merkel auf dem Tag der deutschen Industrie. Allerdings sind die Details in der Union noch umstritten. Die CSU will einen schnellen Abbau des Soli, die CDU will ihn erst bis 2030 abbauen und das auch noch in elf gleichmäßigen Schritten. Merkel betonte, sie rede als CDU-Vorsitzende, und sagte: "Wir wollen Tarifentlastungen." Das genaue Konzept werde noch vorgestellt. Bisher hat die CDU Entlastungen von jährlich 15 Milliarden Euro nach 2017 in Aussicht gestellt. Die Entlastungen der Sozialdemokraten summieren sich auf "mindestens" 15 Milliarden, vor allem ab 2020. Zudem will die SPD für Geringverdiener die Sozialabgaben senken. Noch offen ist bei beiden Parteien, wie genau die Versprechen gegenfinanziert werden sollen.

Zugleich warnen Steuerzahlerbund und Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vor den Folgen der SPD-Pläne für Mittelständler. Letztere seien meist einkommensteuerpflichtige Personengesellschaften und von einer Anhebung des Spitzensteuersatzes betroffen, betont der DIHK. "Was sich vielleicht populär anhört, dass nämlich ,die Reichen' mehr bezahlen sollen, trifft in Wirklichkeit kleine und mittlere Unternehmen, die durch den SPD-Tarif eher bestraft werden", warnt Reiner Holznagel. Auch Ifo-Chef Clemens Fuest sieht negative Folgen für Unternehmen.

Streit gibt es zudem um die Erbschaftsteuer. Die SPD will "sehr große Erbschaften" höher belasten. Merkel sagte dagegen beim Tag der Industrie: "Wir wollen auch an der Erbschaftsteuer jetzt erst einmal nicht rühren." Eine Wiederbelebung der Vermögensteuer, wie sie linke Politiker fordern, sei das absolut falsche Signal, so Merkel. Wenigstens das sieht auch SPD-Chef Martin Schulz so: Die Vermögensteuer will er nicht einführen - zur Enttäuschung der Jusos, die gestern Nachbesserung forderten.

(anh)
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