Interview mit dem Chef der Bundesnetzagentur „Wo 5G draufsteht, ist nicht immer 5G drin“

Berlin · Wir treffen Jochen Homann in unserer Redaktion in Berlin. Der Titel „Chefregulierer“ gefällt dem 65-Jährigen gar nicht, obwohl er als Präsident der Bundesnetzagentur genau das ist: Er überwacht den Netzausbau für Strom und schnelles Internet. Ein Gespräch mit einem Mann, der oft von allen Seiten angegriffen wird.

5G - der neue Turbo-Mobilfunkstandard
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Mobilfunk 5G - der neue Turbostandard

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Herr Homann, das Gelingen der Energiewende hängt vom Netzausbau ab. Wie stark hinkt der Stromnetzausbau aktuell hinterher?

Homann Wir müssen differenzieren. Es gibt auf der einen Seite ein Gesetz von 2009 für das so genannte Startnetz, das auch als Grundlage für alle weiteren Projekte dienen soll. Die darin enthaltenen Leitungsbauten liegen in der Verantwortung der Länder. Hier sollten die ersten 1800 Kilometer eigentlich schon bis 2015 fertig sein. Die Tatsache, dass hier bis heute erst zirka 45 Prozent fertig gestellt sind, spricht allerdings für sich. Auf der anderen Seite gibt es das spätere Bundesbedarfsplangesetz mit der Bundesnetzagentur als Planungs- und Genehmigungsbehörde für eine Reihe von Vorhaben. Hier reden wir im Wesentlichen von den drei großen Gleichstromtrassen Suedlink, SuedOstlink und Ultranet aber auch von weiteren Wechselstromverbindungen. Aktuell sind wir hier im Plan, aber es liegt noch einiges vor uns.

Hat die Entscheidung, mehr Erdkabel zu verlegen, die Bürgerproteste beruhigt?

Homann  Ja und Nein. Dort, wo wir jetzt Erdkabel verlegen, ist der ganz große Ärger tatsächlich vorbei. Nun gibt es aber Proteste dort, wo bisher keine Erdkabel vorgesehen sind.  Und es gibt andere Fragen, etwa die dauerhafte Entschädigung der Bodennutzung oder nicht selten die Frage nach Bereitstellung von sogenannten Kompensationsflächen.

Wer wird die Entschädigungen finanzieren?

Homann Zusätzliche permanente Entschädigungszahlungen für die Verlegung von Erdkabeln, wie sie die Landwirtschaft fordert, erhöhen die Netzentgelte und müssen daher im Ergebnis vom Stromverbraucher bezahlt werden. Das muss man offen sagen. Minister Altmaier hat in Aussicht gestellt, das Thema Bundeskompensationsverordnung noch einmal aufzunehmen. Die Frage etwaiger Entschädigungen für Landwirte müsste in anderen Vorschriften geregelt werden.

Welche Lösung zeichnet sich für das Konverter-Problem in NRW ab?

Homann Wir haben unendlich viele Gespräche zum Konverterstandort geführt. Die von Amprion ursprünglich bevorzugte Fläche, also die Dreiecksfläche in Kaarst, ist derzeit für eine Realisierung unwahrscheinlich, weil der Regionalplan des Regionalrates weiterhin eine Ausweisung für Kiesabbau vorsieht. Trotz mehrfacher Befassung konnte sich der Regionalrat bislang auch zu keiner Änderung durchringen. Somit könnte es am Ende auf eine Fläche in Osterrath als künftigen Standort hinauslaufen. Dies wird das weitere Verfahren zeigen.

Warum brauchen wir den Konverter denn unbedingt?

Homann Ein Konverter steht an den Verbindungspunkten von Gleich- und Wechselstromleitungen und hat zwei Funktionen: Er wandelt Wechsel- in Gleichstrom um und umgekehrt. Plastisch erklärt bedeutet das, dass auf der einen Seite der Konverterhalle, der über sehr lange Strecken transportierte Gleichstrom ankommt, der auf der anderen Seite als Wechselstrom zum Verbraucher weiterfließt. Auf der Wechselstromseite sorgen Transformatoren für die Anpassung an das 380-Kilovolt-Netz.

Energiekonzerne und Regierungen ringen um den Kohleausstieg und darum, wie viele Kohlekraftwerke wann vom Netz gehen sollen. Ist es technisch möglich, auf sieben Gigawatt Kohlestrom kurzfristig zu verzichten?

Homann Wenn man den Kohleausstieg beschleunigen möchte, dann müssen drei Bedingungen für die Versorgungssicherheit erfüllt sein: Der Stromnetzausbau muss kommen wie geplant, es müssen genügend Kraftwerksreserven bereit stehen, etwa Gas-Kraftwerke, und der Binnenmarkthandel mit Strom muss funktionieren. Was die Netzsicherheit angeht, hat die Bundesnetzagentur den Wegfall von sieben Gigawatt Kohlestrom ohnehin schon eingepreist. Dies findet sich auch so nachlesbar in dem von der Bundesnetzagentur im Dezember 2017 bestätigten Netzentwicklungsplan 2030.

Beim Breitbandausbau und bei 5G liegt Deutschland weit hinten. Warum ist das so?

Homann Wenn Sie genauer hinschauen, wird in anderen Ländern teilweise etwas als 5G vermarktet, was in Realität nicht 5G ist. Richtig ist aber auch, dass wir Nachholbedarf haben und ambitioniert bleiben müssen. In Deutschland gibt es im Festnetz zu wenig Glasfaserausbau. Damit hier mehr investiert wird, braucht es Regulierungserleichterungen. Beim Mobilfunk haben wir aktuell das Thema der Vergabe neuer Frequenzen. Die Bundesnetzagentur möchte damit dazu beitragen, Deutschland zum Leitmarkt für 5G-Anwendungen zu machen. Hier steckt jedoch der Teufel im Detail. Nicht jede Frequenz eignet sich für jede Anwendung. Wir müssen die richtige Balance finden zwischen ambitionierten Anforderungen an die investierenden Unternehmen und rechtlichen, ökonomischen sowie technischen Grenzen für die Auferlegung von Verpflichtungen.

Es gab aber viel Kritik an den Vorschlägen, die Sie für die Versteigerungsbedingungen vorgelegt haben. Sind Sie bereit noch mal nachzubessern?

Homann Kritik kommt von allen Seiten. Das liegt in der Natur der Sache, da unterschiedliche Unternehmensinteressen und Forderungen aufeinander treffen.  Wir werten jetzt die Stellungnahmen aller Beteiligten aus und ziehen die notwendigen Schlussfolgerungen. Die endgültigen Versteigerungsbedingungen diskutieren wir am 26. November in der Sitzung des Beirats der Bundesnetzagentur.

Laut Koalitionsvertrag soll die Versteigerung zwölf Milliarden Euro einbringen. Schaffen Sie das?

Homann  Bei einem Projekt dieser Art kann es nicht darum gehen, maximale Erlöse zu erzielen. Das strebt die Politik nicht an und die Bundesnetzagentur ebenfalls nicht. Es geht jetzt schließlich um die Zukunft Deutschlands als Innovationsstandort im globalen Wettbewerb. Deshalb hat die Regierung auch im Koalitionsvertrag fixiert, dass die Differenz zum Versteigerungserlös durch Haushaltsmittel ergänzt werden soll. Ziel der Bundesnetzagentur ist es, die Frequenzen an diejenigen zu geben, die am besten geeignet sind, den Mobilfunk durch mehr Investitionen schneller zu machen.

Wann wird jeder in Deutschland über eine Internetgeschwindigkeit von 100 Mbit verfügen können?

Homann Im Koalitionsvertrag steht, dass alle Bürgerinnen und Bürger zum 1. Januar 2025 einen rechtlichen Anspruch auf schnelles Internet bekommen sollen. Ob dies 100 MBit pro Sekunde sein werden, weiß ich nicht. Ein Großteil der Haushalte wird aber schon durch die anstehende Frequenzversteigerung die Option auf 100 MBit pro Sekunde erhalten.

Wie wollen Sie mit Messengerdiensten wie Whatsapp künftig verfahren?

Homann Wer Messengerdienste wie zum Beispiel Whatsapp oder E-Mail-Dienste wie Gmail erbringt, der sollte grundsätzlich nicht anders behandelt werden als ein klassischer Telekommunikationsdienste-Anbieter, der den regulatorischen Vorschriften wie zum Beispiel den Datenschutzbestimmungen und den gesetzlichen Sicherheitsvorschriften unterliegt. Die Bundesnetzagentur fordert deshalb auch alle ihr bekannten Anbieter, von Messengerdiensten und E-Mail-Diensten mit vergleichbaren Angeboten, wie etwa Google, auf,  ihrer gesetzlichen Meldepflicht nachzukommen. Google hat hiergegen geklagt, die Bundesnetzagentur hat das Verfahren in erster Instanz gewonnen. Das Oberverwaltungsgericht hat beschlossen, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes einzuholen, die wir mit Spannung erwarten.

Jan Drebes und Birgit Marschall führten das Gespräch.

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