Pestizide reduzieren 500 Landwirte protestieren gegen geplante EU-Agrarreform

Bonn · In Bonn gingen Bauern-Aktivisten unter anderem gegen die von der EU geforderte Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln auf die Straße. Der BUND begrüßt hingegen die Pläne und wünscht sich von der neuen Landesregierung neue Impulse, um Pestizide in Schutzgebieten zu vermeiden und die Öko-Landwirtschaft auszubauen.

 Ein Bauer mit seinem Traktor, an dem ein Transparent mit der Aufschrift "Gibt es keine Bauern mehr, bleibt auch dein Teller leer" hängt, bei einer Demonstration am 15. August in Bonn.

Ein Bauer mit seinem Traktor, an dem ein Transparent mit der Aufschrift "Gibt es keine Bauern mehr, bleibt auch dein Teller leer" hängt, bei einer Demonstration am 15. August in Bonn.

Foto: dpa/Oliver Berg

In Bonn haben am Montag rund 500 Landwirte vor dem Bundes-Landwirtschaftsministerium demonstriert. Sie waren mit rund 200 Traktoren aus verschiedenen Bundesländern angereist. Im Fokus des Protests stand der Vorschlag für eine Verordnung der EU-Kommission, der im Juni öffentlich wurde. Demnach sollen bis 2030 unter anderem der Einsatz chemischer Pestizide in der Europäischen Union halbiert und 80 Prozent der geschädigten Ökosysteme in Europa wiederhergestellt werden. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten soll ganz verboten werden. Die in den vergangenen Wochen viel diskutierten Vorschläge zur „Wiederherstellung der Natur“ sollen im September in Brüssel debattiert werden.

Was die Landwirte davon halten, war auf ihren Treckern zu lesen: „Keine Versorgungssicherheit ohne Pflanzenschutz“, „Grüne Ideologie zwingt uns Bauern in die Knie“. Unter ihnen befand sich auch Albert Schmitz, dessen Familie seit mehr als 300 Jahren Landwirtschaft in Wachtberg (Rhein-Sieg-Kreis) betreibt. Schmitz hat vor einem Jahrzehnt auf biologische Landwirtschaft umgestellt. Er erfüllt Standards, die über die gültigen EG-Richtlinien hinausgehen. Auch er wäre betroffen, wenn der Vorschlag der Kommission eins-zu-eins umgesetzt würde. „Wir benutzen beispielsweise biologische Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung von Apfelwickler-Larven“, sagte Schmitz.

Der Verein „Land sichert Versorgung“ hatte den Protest initiiert. NRW-Vorstand Ansgar Tubes erinnerte an ein Versprechen: So habe die Politik den Bauern einst vor der Ausweisung von Schutzgebieten in der Fläche zugesichert, dass sie ihre Felder weiterhin bewirtschaften können. Sollte der Vorschlag in der vorliegenden Form kommen, gleiche das einem Vertragsbruch. Es drohe der Verlust von Flächen, die Erträge würden sinken, die Kosten steigen. Das werde zulasten der Ärmsten gehen, die die hohen Preise nicht mehr zahlen können. Tubes sieht Landwirte beim Natur- und Umweltschutz zu Unrecht an den Pranger gestellt sieht. „Umweltschutz geht nur mit uns Bauern und nicht ohne uns.“

Das Bundeslandwirtschaftsministerium war durch Staatssekretärin Silvia Bender (Grüne) vertreten. Sie sagte, dass über den EU-Vorschlag derzeit mit den Ländern beraten würde. Die Auflagen, in Landschaftsschutzgebieten gar keine Pestizide mehr einsetzen zu dürfen, gehe aus Sicht des Ministeriums zu weit. Das Hauptziel der Reform, einen geringeren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, teile das Ministerium hingegen, sagt die Agrarwissenschaftlerin.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) reagierte ablehnend auf die Proteste. „Die Forderung der Landwirte in Bonn nach einem ‚weiter wie bisher‘ ist verantwortungslos“, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Weltbiodiversitätsbericht warne seit Jahren vor dem massiven Artensterben in unserer Kulturlandschaft. Der hohe Einsatz von Pestiziden und Monokulturen, die keine Rückzugsräume und Futtermöglichkeiten für Tiere bieten, sind die Hauptgründe hierfür. Dass die Landwirte in Bonn große Sorgen um ihre Zukunft hätten, sei verständlich – noch mehr Pestizide auf die Felder zu bringen, werde ihnen aber langfristig nicht helfen und unserem Ökosystem massiv schaden, hieß es weiter.

Agrarreferent des BUND NRW Ralf Bilke sagte im Gespräch mit unserer Redaktion: „Wir erleben an allen Fronten rückwärtsgewandte Forderungen, die teilweise mit dem Ukrainekrieg begründet werden. Das ist aber Augenwischerei.“ Die Landwirte seien selbst drauf angewiesen, stabile Ökosysteme zu haben. Von der letzten Landesregierung und Ex-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) sei der BUND enttäuscht gewesen, man erhoffe sich jetzt neue Impulse von der neuen Regierung.

Die ambitionierten Ziele der EU begrüßt Bilke, genauso wie den Wunsch, auf 25 Prozent der Flächen Ökolandbau zu schaffen. „Wir müssen die Nachfrage nach Ökoprodukten weiter ankurbeln. Und bei den Öko-Agrarflächen sind wir mit etwa sechs Prozent in NRW einer der Schlusslichter in Deutschland“, sagt er. Die Empörung der Protestler kann er zwar verstehen, widerspricht aber ihrer Angst vor Flächenverlust: „Das ist falsch, niemand nimmt ihnen die Flächen weg. Wir müssen aber den Artenschwund stoppen.“ Dazu gebe es bereits finanzielle Ausgleiche für Mindererträge und das Schaffen von Grünstreifen. Bilke ist sich sicher, dass ein Großteil der Landwirte für die neuen Rahmenbedingungen der EU offen ist. Es führe kein Weg daran vorbei, weiter auf Pestizide zu verzichten, wenn man naturverträglich wirtschaften wolle.

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