Ärzte und Kassen einigen sich 270 Millionen mehr für NRW-Ärzte

Düsseldorf · Einige hundert Praxen blieben geschlossen, obwohl sich Ärzte und Kassen auf mehr Honorar für 2013 geeinigt haben. Vor allem Orthopäden, Frauen- und HNO-Ärzte sollen gestärkt werden. Zudem könnte es 250 zusätzliche Psychotherapeuten in NRW geben. Die Beiträge sollen nicht steigen.

Die nächtliche Einigung im Honorarstreit bringt auch den 34 000 niedergelassenen Ärzten in Nordrhein-Westfalen mehr Geld. Für sie bedeutet dies im nächsten Jahr rund 270 Millionen Euro zusätzlich, schätzt der Verband der Ersatzkassen (VdEK). Das sind rund 8000 Euro mehr pro Praxis und Jahr. Damit steigt das Gesamthonorar der NRW-Ärzte 2013 auf sieben Milliarden Euro. Trotzdem hielten auch in Nordrhein-Westfalen Ärzte an den für gestern geplanten Protestaktionen fest. Einige hundert Praxen blieben geschlossen. Auch Hunderte Arzthelferinnen gingen in Begleitung von ihren Ärzten in Düsseldorf, Köln, Solingen und Dortmund auf die Straße.

Welche Ärzte profitieren besonders von der Honorarerhöhung?

Die Einigung bedeutet für die Ärzte bundesweit ein Plus von bis zu 1,27 Milliarden Euro für 2013. Das entspricht einer Erhöhung um vier Prozent. Vor allem die fachärztliche Grundversorgung soll damit aufgewertet werden. Das sind zum Beispiel Hals-Nasen-Ohrenärzte, Gynäkologen, Orthopäden und Augenärzte. Aber auch Hausärzte, die sich auf die Geriatrie (Altersmedizin) oder die Palliativmedizin (Begleitung Todkranker) spezialisiert haben, sollen mehr Geld für ihre Arbeit bekommen. Allein für diese Gruppen ist ein Plus von 250 Millionen Euro vorgesehen.

Was bedeutet das für die Patienten?

"Wir hoffen, dass nun die fachärztliche Grundversorgung in Regionen besser wird, wo es bislang zu Wartezeiten, beispielsweise beim Augenarzt oder beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt, kam", sagte VdEK-Sprecher Dirk Ruiss. Das sind vor allem ländliche Regionen wie Ostwestfalen, die Eifel oder das Bergische Land.

Was ändert sich bei den Psychotherapeuten?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Krankenkassen haben auch vereinbart, dass bundesweit 1150 Psychotherapeuten zusätzlich zugelassen werden. Für NRW könnte das rechnerisch 250 zusätzliche Psychotherapeuten bedeuten. Die genaue regionale Aufteilung muss aber noch festgelegt werden, bevorzugt werden soll ohnehin Ostdeutschland. Bislang sind an Rhein und Ruhr 4800 Psychotherapeuten tätig — und ihre Wartelisten sind in der Regel lang. Es ist keine Seltenheit, dass psychisch kranke Menschen Monate lang auf einen Termin warten müssen. Mit mehr Anbietern dürften sich die Wartezeiten verringern.

Was bedeutet der Kompromiss für die Beitragszahler?

"Der Kompromiss ist akzeptabel, weil es trotz der Belastung der Beitragszahler Verbesserungen für Patienten gibt", erklärte der VdEK. Die Kassen gehen auch nicht davon aus, dass sie nun Zusatzbeiträge nehmen müssen. Denn wegen der guten Wirtschaftslage ist der Gesundheitsfonds derzeit gut gefüllt und geht mit neun Milliarden Euro Überschuss ins nächste Jahr.

Warum haben manche Ärzte gestern dennoch gestreikt?

Verhandlungspartner waren Kassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung. Der gehören alle Ärzte zwangsweise an. Zugleich haben sich viele Ärzte freiwillig in Verbänden organisiert, von denen einige die Einigung nicht mittragen. Der Erkrather Urologe Wolfgang Rulf etwa verteidigt die Praxisschließungen: "Wir Ärzte sollten solidarisch sein, um Schlagkraft im Kampf um eine angemessene Bezahlung zu bekommen." Im Zuge der Honorarverhandlungen hätten die Ärzte "noch nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Kostenersatz" für ihre gestiegenen Kosten für Personal und Praxis herausbekommen, sagte der Mediziner. "Deshalb bin ich so empört."

Sind weitere Streiks möglich?

Die Kassen forderten die Kassenärztliche Vereinigungen auf, mäßigend auf die Ärzte einzuwirken. Weitere Proteste seien keinesfalls akzeptabel — zumal die Einigung im Honorarstreit für ein Jahr gilt.

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort