Einzelhandel 16.000 Standorte im Handel vor dem Aus

Düsseldorf · Die Pandemie beschleunigt das Ladensterben in Deutschland enorm. Umsatzerholung gibt es zwar, doch sie kommt fast nur aus dem Onlinegeschäft. Vor allem der stationäre Modehandel leidet.

  Grafik: Schnettler

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Foto: Schnettler

In der Pandemie verabschiedet sich so mancher kleine deutsche Einzelhändler still und leise aus dem Geschäft. Rund 16.000 Verkaufsstandorte könnten nach Einschätzung des Handelsverbandes Deutschland (HDE) in diesem Jahr schließen, und längst nicht jeder Inhaber solcher Ladenlokale meldet Insolvenz an. „Viele wickeln ihr Geschäft einfach ab“, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Trauriges Ende einer mitunter jahrzehntelangen Handelskarriere. Bestätigt sich die Einschätzung, wären seit 2015 schon etwa 60.000 Läden von der Bildfläche verschwunden, in den meisten Fällen solche von kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Genths Prognosen scheinen nicht zu den nackten Zahlen des vergangenen Jahres und den Voraussagen für 2022 zu passen. Im abgelaufenen Jahr hat die gesamte Branche immerhin noch ein Wachstum von 1,8 Prozent auf 588 Milliarden Euro geschafft – und für das laufende Jahr schätzt Genth das Umsatzplus bei entsprechender Verbesserung der Corona-Lage und einer Rücknahme der aktuellen Beschränkungen sogar auf drei Prozent. Aber erstens bliebe davon, wenn die aktuellen Inflationsraten nicht sänken, real nichts übrig. Und zweitens ist das Plus wie immer in den vergangenen Jahren vor allem dem Onlinehandel zu verdanken. Der könnte nominal um 13,5 Prozent wachsen, während das stationäre Geschäft nach HDE-Prognose nur um 1,2 Prozent zulegen wird. 2021 waren die Unterschiede noch größer: 19 Prozent plus online, 0,7 Prozent minus im stationären Handel.

Einen Grund für die schwachen Zahlen im klassischen Ladengeschäft sieht Genth in den aktuellen 2G-Regeln in vielen Bundesländern, die die Branche gern abgeschafft sähe. Eine Forderung, für die sie mittlerweile sogar Unterstützung vom gar nicht coronageplagten Lebensmittelhandel bekommen hat. Der Bremer Oberbürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hat Genth mit seiner Forderung nach bundeseinheitlichen Regeln im Handel aus der Seele gesprochen, nachdem es bereits in fünf Bundesländern (Niedersachsen, Bayern, Saarland, Baden-Württemberg und Hessen) Gerichtsurteile gegen 2G im Handel gegeben hat und die Regeln in vier Ländern abgeschafft wurden. Die Hoffnung: Auch die anderen mögen es doch tun. Aber am Ende ist klar: „Die Länder müssen über 2G entscheiden“, so Genth, der die Regeln für nutzlos hält, weil sie eben keine Verbesserung der Infektionszahlen brächten.

Bovenschulte wird sich um den eigenen Handel sorgen, dem die vorübergehende Abwanderung von Kunden ins 2G-befreite Nachbarland Niedersachsen droht. Aber auch abseits eines solchen Shopping-Tourismus führen die Regeln nach Überzeugung der Unternehmen zu weiteren Umsatzverschlechterungen. In den Ländern, in denen 2G nicht gelte, liege der Erlösrückgang bei 15 Prozent, in den anderen doppelt so hoch, heißt es in der Branche. Die Kundenfrequenzen in den Innenstädten nehmen ab, und das ist der „Killer für die Unternehnen“, wie HDE-Chefvolkswirt Olaf Roik erklärt. Vor allem für die kleinen und mittelständischen Anbieter.

Die großen Verlierer bleiben im stationären Geschäft vor allem die Bekleidungshändler mit einem Umsatzrückgang um neun Prozent im abgelaufenen Jahr. In diesem Jahr könnte es noch einmal um etwa zwei Prozent runtergehen. Gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 hätten die Modeanbieter dann fast ein Drittel ihres Geschäftes verloren.

Dem Handel bleibt die Hoffnung auf eine Besserung der pandemischen Lage irgendwann in diesem Jahr und auf eine Nachbesserung bei den Corona-Hilfen, die für die Händler erst dann greifen, wenn deren Umsatz um mindestens 30 Prozent zurückgegangen ist. Diese Zugangshürden zu senken, forderte Genth am Dienstag erneut.

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