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Interview "150 Henkel-Marken verschwinden bis 2016"

Kasper Rorsted (51), Vorstandsvorsitzender von Henkel, spricht im Samstags-Interview über die neue Vier-Jahres-Strategie und die Reduktion der Markenanzahl.

Interview: "150 Henkel-Marken verschwinden bis 2016"
Foto: Endermann, Andreas

Herr Rorsted, Sie sind Fan des FC Bayern München. Waren Sie beim Champions League Finale in Wembley dabei?

Rorsted Natürlich. Nachdem sie zweimal den Pokal verpasst hatten, musste es endlich klappen. Das Triple von Champions-League, Bundesliga und Pokal ist schon ein toller Erfolg. Dazu kommt, dass mit dem BVB auch eine zweite deutsche Mannschaft im Finale stand.

Henkel geht es mit dem Rekordgewinn in 2012 ja auch nicht gerade schlecht, warum dann die neue Vier-Jahres-Strategie bis 2016?

Rorsted Das Erreichen der Ziele für 2012 war für uns eine wichtige Etappe. Jetzt geht das Unternehmen in eine neue Phase. Die Mitarbeiter und Aktionäre müssen wissen, wohin die Reise geht. Nur so lässt sich neue Aufbruchstimmung erzeugen. Darum haben meine Kollegen im Vorstand und ich alleine 28 Standorte in 22 Ländern besucht und umfassend die neue Strategie erklärt.

Als Zwischenschritt zu den neuen Zielen haben Sie Vorgaben für 2013 gemacht. Erreichen Sie die?

Rorsted Ja, trotz konjunkturellem Gegenwind in vielen Regionen stehen wir zu unserer Jahresprognose für 2013: Wir erwarten ein organisches Umsatzwachstum zwischen drei und fünf Prozent. Für die bereinigte EBIT-Marge rechnen wir mit einem Anstieg auf etwa 14,5 Prozent und für das bereinigte Ergebnis je Vorzugsaktie mit einem Zuwachs von etwa 10 Prozent. Die stabile Lage und unsere gute Position in Deutschland helfen uns. Die Situation in Südeuropa ist und bleibt schwierig, aber in einigen Wachstumsländern läuft es umso besser.

Bis 2016 soll der Umsatz in Wachstumsregionen wie China, Lateinamerika oder Russland die Hälfte zum Gesamtumsatz beitragen. Verlieren Deutschland und die Zentrale in Düsseldorf an Gewicht?

Rorsted Im Gegenteil, Deutschland ist und bleibt wesentliche Säule unseres Erfolges. Durch die Globalisierung wird die Zentrale sogar noch wichtiger. In je mehr Ländern wir agieren, umso mehr müssen wir von Düsseldorf aus die Arbeit koordinieren. Hinzu kommt: Als Stadt im Zentrum Europas ist Düsseldorf auch ein idealer Standort für Produktion und Logistik. Neben dem Ausbau unserer Produktion in den letzten Jahren errichten wir hier gerade für den Bereich Wasch- und Reinigungsmittel unser größtes Zentrallager für 35 Millionen Euro. Bedenken Sie: Deutschland ist mit rund 13 Prozent des Umsatzes noch immer unser zweitwichtigster Markt nach den USA. Und hierhin fließen auch die höchsten Investitionen.

Bleibt es bei 47 000 Arbeitsplätzen weltweit bei Henkel und rund 8 000 in Deutschland?

Rorsted Es gibt in Düsseldorf und weltweit keine Programme, um Arbeitsplätze abzubauen. Wir planen aber auch keine wesentliche Erhöhung der Belegschaft. Da wir aber den Umsatz bis 2016 von 16 Milliarden auf 20 Milliarden erhöhen wollen, bedeutet das, dass wir noch effizienter werden müssen.

Was bedeutet das?

Rorsted Wir wollen unsere Arbeitsabläufe zum Beispiel durch einen höheren Einsatz von IT-Technologien weiter optimieren. Aber wir investieren auch mehr in unsere Mitarbeiter: Wir haben Ausbildungsprogramme in Zusammenarbeit mit führenden internationalen Universitäten. So besuchen zum Beispiel unsere Top- Führungskräfte für zwei Monate eine Fortbildung an der renommierten Harvard-Business School in den USA. Gute Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind wichtig, um die besten Köpfe an uns zu binden.

Die hiesige Belegschaft sorgt sich wegen der Verlagerung von Arbeiten in ausländische Shared-Service-Center, in denen einfache Büroarbeit zusammengefasst wird.

Rorsted Richtig ist: Die Zahl der Arbeitsplätze in den Shared-Service-Centern soll in den nächsten vier Jahren von rund 2000 auf 3000 ansteigen. Aber mit der Verlagerung von Arbeit hat das nichts zu tun: Wir zentralisieren globale Prozesse und Arbeitsabläufe, die bislang in den unterschiedlichen Bereichen und Ländern abgewickelt werden. Wir schreiben zum Beispiel weltweit Rechnungen, wir rechnen global Personalkosten ab — da ist es sinnvoll, solche Arbeiten zu standardisieren und an einem Ort zu bündeln.

Sie haben angekündigt, einen neuen großen Zukauf zu wagen. Wie viel Geld haben Sie in der Kriegskasse?

Rorsted Unser finanzieller Spielraum liegt im Moment bei vier Milliarden Euro und wird sich weiter erhöhen. Wir hatten zuletzt zudem eine sehr starke Cash-flow-Entwicklung. Damit wird unser Spielraum zukünftig weiter steigen. Wir haben im letzten Jahr intensiv mögliche Akquisitionsziele analysiert. Jetzt geht es um die Umsetzung.

Dummerweise werden Unternehmen mit den steigenden Aktienkursen in vielen Ländern immer teurer.

Rorsted Das ist richtig und auch viele Wettbewerber sind finanziell gut gerüstet. Ich kann Ihnen daher versichern: Wir werden uns nicht übernehmen, nur damit wir eine Akquisition vorweisen können. Henkel ist ein grundsolides Unternehmen mit nun 137 Jahren Geschichte. Wir haben keinen Zeitdruck. Aber wir wissen aus früheren großen Zukäufen wie der Haarpflegefirma Schwarzkopf und den National Starch-Klebstoffgeschäften, dass wir damit am Ende den Wert des Konzerns wesentlich steigerten.

Können Sie sich eine feindliche Übernahme vorstellen?

Rorsted Es liegt in unserer Tradition, Einvernehmen mit dem Management von gekauften Firmen herzustellen. Das war in der Vergangenheit auch immer ein wichtiger Aspekt in der Integration der Firmen. Andererseits müssen wir auch sicherstellen, dass wir bei einer Akquisition die Synergien ausschöpfen und ein Geschäft zügig und vollständig integrieren.

Zum Umbau gehört die Reduktion der Markenanzahl. Wie weit sind sie?

Rorsted Wir hatten einst über 1000 Marken, jetzt sind wir bei unter 400. Bis zum Jahr 2016 sollen rund 150 weitere Henkel-Marken verkauft, eingestellt oder unter anderen Markendächern zusammengeführt werden. Bei Kosmetik und Waschmitteln sind wir fast fertig damit, bei den Klebstoffen gibt es noch einiges zu tun. Wir haben uns ein klares Ziel gesetzt: Bis 2016 sollen die größten zehn Marken die Hälfte des Umsatzes bringen - jetzt sind es 44 Prozent.

Wie viel sparen Sie dadurch ein?

Rorsted Es geht nicht um Sparen sondern um Fokussierung. Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Werbeausgaben absolut weiter gesteigert. Durch die Reduktion der Marken entfiel damit umso mehr Budget auf starke Marken wie Persil, Schwarzkopf oder Loctite.

Kommen wir zu Persönlichem. Es gibt das Gerücht, Sie seien einer von mehreren Kandidaten für die Chef-Nachfolge bei Linde?

Rorsted Wir kommentieren grundsätzlich keine Spekulationen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich sehr gerne bei Henkel bin. Wir haben gerade eine neue Strategie und Vier-Jahres-Ziele verkündet. Deren Umsetzung gilt jetzt meine ganze Aufmerksamkeit.

2016 endet der Pool-Vertrag der Henkel-Familie. Droht der Ausverkauf?

Rorsted Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen, er kann lediglich erstmals mit Wirkung für 2016 gekündigt werden, das bedeutet, ein Aktienverkauf wäre dann unter bestimmten Bedingungen theoretisch möglich. Ich möchte darüber nicht spekulieren. Die Henkel-Familie steht zum Unternehmen. So hat sie mittlerweile über 53 Prozent der Stammaktien in diesem Aktienpool gebündelt — rund 1,5 Prozentpunkte mehr als vor einigen Jahren. Unsere Aufgabe liegt darin, das Unternehmen so zu führen, dass wir langfristig erfolgreich sind — der beste Anreiz für alle Aktionäre, dem Unternehmen treu zu bleiben.

Wie passt es zum Bild des Familienkonzerns, dass Sie mehrfach betont haben, zu vielen Kollegen freundlich sein zu wollen, aber keine Freunde im Unternehmen haben wollen.

Rorsted Der Satz lautet: "Be always friendly but not friend". Um meiner Verantwortung für das Unternehmen gerecht zu werden, muss ich alle Mitarbeiter fair behandeln — unabhängig davon, ob ich jemand persönlich mag oder nicht. Wenn ich dagegen mit einzelnen Kollegen eine Freundschaft pflegen würde, wären andere benachteiligt.

Also keine Nähe in der Firma?

Rorsted Doch natürlich. Nähe, Vertrauen, Offenheit sind doch die Voraussetzung für erfolgreiche Zusammenarbeit. Deshalb spreche ich gerne mit Beschäftigten aller Hierarchiestufen über ihre Arbeit — regelmäßig auch bei gemeinsamen Mittagessen in der Kantine. Aber ein Bier zusammen trinken — das mache ich mit unserem früheren Finanzvorstand Lothar Steinebach erst, seit er in den Ruhestand ging.

Ihre Familie zieht nach acht Jahren von Düsseldorf nach München. Gefällt es Ihnen hier nicht?

Rorsted Düsseldorf ist und bleibt eine attraktive Stadt, in der ich mich wohl fühle. Doch alle meine vier Kinder sind in Bayern geboren. In München, wo ich viele Jahre bei Hewlett-Packard und anderen Firmen arbeitete, hat meine Familie die meisten Freunde. Bayern ist für uns zu einer Heimat geworden und irgendwann möchte ich dort den Ruhestand verbringen.

Was heißt das für Henkel?

Rorsted Für meine Tätigkeit als Vorstandschef bei Henkel ändert das nichts. Ich werde weiter in Düsseldorf wohnen und genau so oft wie bisher in der Zentrale in Düsseldorf sein. Ich bin ohnehin 160 Tage im Jahr für den Konzern auf Reisen. Denn wir haben bei Henkel viel vor.

MIT KASPER RORSTED SPRACHEN SVEN GÖSMANN, ANTJE HÖNING UND REINHARD KOWALEWSKY. EINE LÄNGERE FASSUNG IST BEI RP-ONLINE.DE

(RP/gre)
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