Berlin 130 000 Steuerflüchlinge entlarvt

Berlin · Medien enthüllen Datensatz mit vertraulichen Dokumenten über geheime Geschäfte in vielen Steueroasen. Unter den Betroffenen sind Hunderte reiche Deutsche. Auch der Name des verstorbenen Playboys Gunter Sachs taucht auf.

Nach spektakulären Berichten zahlreicher Medien über einen neuen riesigen Datenschatz mit geheimen Informationen von weltweit über 130 000 reichen Steuersündern hat die Bundesregierung die Übergabe der Daten erbeten. "Wir gehen davon aus und begrüßen es, wenn nunmehr die relevanten Unterlagen an die zuständigen Steuerbehörden der Länder übermittelt werden", sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Die SPD forderte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, die Bekämpfung der Steueroasen "ganz oben auf die Tagesordnung" der EU zu setzen. Selbst in der EU gebe es mit Malta oder Luxemburg Steuerparadiese.

Weltweit berichteten gestern 46 Medien gleichzeitig in einer Art Joint-Venture über den Datensatz mit 2,5 Millionen Dokumenten, in denen von über 120 000 Briefkastenfirmen und Stiftungen in Steueroasen wie den Cook-Inseln in der Südsee, den britischen Jungferninseln oder den Cayman-Inseln die Rede ist. Ein Insider sprach gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" von dem "bislang größten Schlag gegen das große schwarze Loch der Weltwirtschaft". Nach Schätzungen wurden 2012 weltweit 21 Billionen US-Dollar (17 Billionen Euro) in Steueroasen versteckt. Deutsche sollen nach Schätzungen der Steuergewerkschaft allein 400 Milliarden Euro beiseitegeschafft haben.

Der Datensatz war dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) in Washington vor einem Jahr anonym zugespielt worden. In einer beispiellosen Aktion schlossen sich daraufhin weltweit Medien zusammen, um die Echtheit der Daten zu überprüfen, die außer Zweifel steht. Allerdings erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Bochum, die mutmaßlichen Steuersündern schon lange auf der Spur ist, die Daten enthielten wohl "wenig Neues".

Am Beispiel des verstorbenen Multimillionärs Gunter Sachs, dessen Name in den Dokumenten auftaucht, konnte die "Süddeutsche" aufzeigen, wie Steuerhinterziehung in Steueroasen funktioniert: Auf den Cook-Islands bot die Trust Corporation Limited Sachs ihre Dienste an. Sie gründete für Sachs auf dem Papier zahlreiche Firmen und Stiftungen, der wahre Eigentümer blieb unbekannt. Wer Firmen oder Stiftungen ("Trusts") auf den Cook-Inseln unterhält, zahlt so gut wie keine Steuern. Er kann mit absoluter Anonymität rechnen. Illegal wird das Verhalten von Sachs, dessen Vermögen zum Todeszeitpunkt 2011 mit 470 Millionen Euro angegeben wurde, wenn den Schweizer Behörden zu versteuernde Summen nicht angegeben wurden – ob dem so war, muss erst noch geklärt werden.

Der Datensatz setzt auch den französischen Präsidenten François Hollande unter Druck, dessen Wahlkampfmanager Jean-Jacques Augier darin auftaucht. Augier bestätigte Konten auf den Cayman-Inseln, erklärte aber, alles sei legal.

Auch die Deutsche Bank gerät ins Visier: Nach Recherchen des NDR und der "Süddeutschen" hat die Bank im Auftrag von Kunden allein über ihre Niederlassung in Singapur über 300 Firmen und Trusts in Steuerparadiesen gründen lassen. Ein Sprecher sagte, die Bank gehe davon aus, dass "Kunden ihre Steuerangelegenheiten vollumfänglich regeln und dabei alle Steuergesetze und Meldeverpflichtungen befolgen".

"Wir sollten härtere Strafen für jene Finanzinstitute einführen, die zum Steuerbetrug einladen oder daran mitwirken", forderte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Dazu gehöre der Entzug von Banklizenzen. "Wir werden erhältliche Daten auf ihre Werthaltigkeit auswerten", kündigte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) an.

(mar)
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