Welche Rolle spielt Wintershall Dea im Ukraine Krieg?
Der russisch-israelische Oligarch Michail Fridman, dem einer der größten privaten Industrie- und Finanzkonzerne gehört, hält mit seinem Unternehmen LetterOne 33 Prozent der Anteile der Wintershall Dea AG. Im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Ukraine durch Russland wurde Fridman von der EU im Februar 2022 auf eine schwarze Liste gesetzt – sein gesamtes Vermögen im Zugriffsbereich der EU wurde damit eingefroren.
Durch die Zusammenarbeit mit Russland, insbesondere mit dem Energiekonzern Gazprom, mit dem Wintershall Dea in Sibirien Gas fördert, verdiente das Unternehmen Milliardensummen. Gegenwärtig wird Wintershall Dea deshalb Lobbyismus vorgeworfen. Der Journalist Michael Thumann, der als Redakteur für Die Zeit schreibt und die Entwicklungen in der Energiebranche seit vielen Jahren beobachtet, äußert sich diesbezüglich kritisch: „Wenn man sich anschaut, auf welche Art und Weise sich die BASF und Wintershall über die vergangenen zwanzig, dreißig Jahre mit Gazprom verflochten haben, muss man sagen: Sie haben sich instrumentalisieren lassen.“
Die immensen Gewinne, die Wintershall Dea auch nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine eingefahren hat, sind für Louis Wilson, der bei der Nichtregierungsorganisation Global Witness tätig ist, „verabscheuungswürdig“, so heißt es in einem Bericht auf tagesschau.de. „Die Unternehmen profitieren von einem brutalen Krieg und gleichzeitig werden Millionen Europäer durch die Wucherpreise in die Energiearmut getrieben“, kritisiert Wilson weiter. Auch die deutsche Industrie und Politik hat sich in der Vergangenheit stark auf die Zuverlässigkeit russischer Gaslieferungen verlassen und sogar den größten Gasspeicher der Bundesrepublik an Gazprom verkauft.
Die ukrainische Energieexpertin Aliona Osmolovska richtete diesbezüglich eine Warnung an die Bundesregierung: „Wir wissen aus unserer langen Beziehung zu Russland und Gazprom: Wenn man von ihnen abhängig ist, schlagen sie zu, wenn man am verwundbarsten ist.“
Der Gasspeicher wurde nach dem Überfall auf die Ukraine inzwischen vom Bund verstaatlicht.
Welche Verluste hatte Wintershall Dea?
Nach langem Zögern plant Wintershall Dea nun einen Rückzug aus Russland und hat damit einen Milliardenverlust gemacht. Für das gesamte Geschäftsjahr 2022 bescherte Wintershall Dea dem Mutterkonzern BASF einen Fehlbetrag von 1,4 Milliarden Euro – entgegen der Prognosen, laut der das Unternehmen für das Jahr zuletzt mit einer Gewinnsumme von rund 4,8 Milliarden Euro gerechnet hatte. Eine der Hauptursachen für die Verluste war die Abschreibung der Finanzierung von der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2.
Wie wichtig ist Wintershall Dea für die deutsche Energieversorgung?
Wintershall Dea ist der größte und wichtigste Öl- und Gasproduzent der Bundesrepublik. Die deutsche Wirtschaft ist also in hohem Maße abhängig von den Entscheidungen des Konzerns. Auf die Frage, wie es mit den Geschäften mit Russland weitergehen soll, hat Unternehmenschef Mario Mehren sich jüngst in einer Pressekonferenz geäußert: „Wir haben nach intensiver Diskussion im Vorstand entschieden, die Beteiligung an unseren bestehenden Projekten in Russland aufrechtzuerhalten. Bei einem Rückzug würden Milliardenwerte an den russischen Staat fallen.“ Weiterhin machte Mehren jedoch auch deutlich, dass Russland mit dem Angriff auf die Ukraine eine rote Linie deutlich überschritten habe.
Wintershall Dea möchte sich an laufende Vertragsverpflichtungen mit russischen Partnern halten, neue Projekte mit Russland oder russischen Partnern außerhalb Russlands werde es jedoch nicht geben. Mehren machte ebenfalls klar, dass Deutschland als Industrienation auf Importe angewiesen sei: „Wir brauchen viel mehr Energie, als wir selbst in Deutschland erzeugen können.“ Im Rahmen einer Strategieänderung, die eine Abkehr von russischen Importen vorsieht, sind unter anderem Kooperationen mit Norwegen und Algerien geplant.