Partei freut sich über historischen WahlausgangWenn Grüne lachen und staunen
Berlin (rpo). Freud und Leid liegen oft nah beieinander. Während die Kanzlerpartei zerknirscht die Scherben der Euro-Wahl zusammenfegt, kennt der grüne Regierungspartner nur lachende Gesichter. Und ein Blick in die Ergebnisliste mancher Großstadt versetzt die Grünen gar in Erstaunen.Ein lachendes Gesicht war bei den Grünen am Tag nach dem Wahlsonntag nicht nur Ex-Parteichefin Claudia Roth vorbehalten. Die 49-Jährige lacht bekanntlich gern, doch auch den anderen Spitzenpolitikern stand am Montag wegen des historischen Abschneidens der Grünen bei der Europawahl die Freude ins Gesicht geschrieben. Die aus Bayern stammende Roth freute sich insbesondere darüber, dass die Grünen nun "in ganz Oberbayern vor der SPD" liegen. Die Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Rebecca Harms, verkündete stolz, dass die Grünen in ihrem niedersächsischen Wahlkreis bei 47,77 Prozent landeten. Doch noch andere Zahlen sorgten bei der Öko-Partei für Erstaunen. In Freiburg (36,8 Prozent) und Tübingen (35,9) wurden die Grünen stärkste Kraft; in den Metropolen München, Berlin und Frankfurt/ Main sind sie nach der Union nun zweitstärkste Partei. In insgesamt 22 Städten überschritten sie die 20-Prozent-Marke. Bloß keine Ratschläge gebenTrotz des besten Wahlergebnisses bei einer bundesweiten Wahl in der 25-jährigen Parteigeschichte gaben sich führende Grünen-Politiker aber bescheiden mit Blick auf die rot-grüne Koalition im Bund. Hier wollen die Grünen in gestärkter Position nicht mehr Druck auf den Bündnispartner ausüben. Tunlichst vermieden es die Parteispitzen zudem, dem Koalitionspartner Ratschläge zu geben - geschweige denn die Besetzung von Spitzenämtern in Frage zu stellen. Die Wahlniederlage der SPD und die Zugewinne der Grünen hätten "keinerlei Auswirkungen" auf die Koalition in Berlin, betonte Parteichefin Angelika Beer. Es gebe "keinen Grund, irgendetwas zu korrigieren". Die Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Rebecca Harms, sagte: "Wir sind immer ein selbstbewusster Koalitionspartner gewesen, das werden wir auch bleiben." Trotz SPD-Debakel: Koalition wird Kurs haltenGrünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt unterstrich, trotz des Wahldebakels der SPD werde die Koalition ihren Kurs beibehalten. Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn warnte: "Es macht jetzt wenig Sinn, Forderungen an den Koalitionspartner zu erheben." Man müsse aber bis zu den nächsten Wahlen noch einiges tun. Damit dürfte sie nicht zuletzt die Kommunalwahlen in ihrem rot-grün regierten Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen im September im Blick gehabt haben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, versicherte, seine Partei werde "die Koalitionsarbeit konstruktiv fortsetzen". Er rate allen, die Diskussionen und Auseinandersetzungen über Konzepte intern zu führen und extern die Politik gemeinsam zu vertreten. Es gelte nun zusammenzuarbeiten, um die nächsten Landtagswahlen und die Bundestagswahl 2006 "erfolgreich für Rot-Grün gewinnen zu können". Als einzige Regierungspartei in Europa Stimmen hinzugewonnenBundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) verwies darauf, dass die Grünen als einzige Regierungspartei in Europa Stimmen hinzugewinnen konnten. Zur Koalition im Bund bemerkte er: "Wir kommen gut mit denen klar." Die Grünen hätten vor fünf Jahren auch schon schwierige Zeiten erlebt. "Da ist der Koalitionspartner anständig mit uns umgegangen, wir halten es genauso." Nur zaghafte Antworten gab es am Montag auf die Frage, warum die SPD für die Regierungspolitik von den Wählern abgestraft wird, die Grünen jedoch nicht. Die Mitglieder und Freunde der Grünen schämten sich halt nicht für die Bundespolitik, gab Fraktionschefin Krista Sager einen Erklärungsversuch.