Selbst Filmgrößen wie Bernardo Bertolucci ernten KritikNeu in Venedig: Buh-Rufe für große Stars
Venedig (rpo). Die Filmkritiker bei der diesjährigen Biennale urteilen hart: Laute Buh-Rufe ertönten für große Stars - so etwas gab es nicht oft bei dem Filmfestival in Venedig. Selbst Filme von und mit Antonio Banderas, Bernardo Bertolucci und Anthony Hopkins wurden abgestraft.Abgestraft wurde etwa "Imagining Argentina" von Christopher Hampton, mit den Hollywood-Größen Antonio Banderas und Emma Thompson. "Niemals so starkes Missfallen in Venedig erlebt", meint eine deutsche Kritikerin nach der Pressevorführung. Selbst Altmeister Bernardo Bertolucci ("Der letzte Kaiser") steckt für "The Dreamers" Pfiffe ein, plus dünnen Applaus. Auch "The Human Stain" (Der menschliche Makel) von Robert Benton, mit Superstars Anthony Hopkins und Nicole Kidman, erlebt die Kühle der Kritiker. Was ist los in Venedig? In "Imagining Argentina" spielt Antonio Banderas einen Theaterregisseur in Buenos Aires, dessen Frau in den 70er Jahren in den Gefängnissen der Militärdiktatur verschwindet. Zu seiner Überraschung merkt er, dass er in Trance das Schicksal der Verschleppten sehen kann und macht sich auf die Suche. Was Stoff für großes Kino sein könnte, verliert sich in konfusen Szenen, in denen argentische Militärs vor Hakenkreuz-Fahnen marschieren, Auschwitz- Überlebende ihren Lebensabend auf einer Farm verplaudern, und Banderas zum Abschluss melancholisch Gitarre spielt. Emma Thompson verkörpert die entführte Ehefrau, und das tut sie überzeugend. Banderas, wie Superstar Kidman, kommt gar nicht erst nach Venedig. Auch Bertolucci lässt in "The Dreamers" nichts aus: Amerikanischer Student (natürlich in Sachen Erotik völlig unerfahren), kommt im Mai 1968 nach Paris, trifft ein Geschwisterpaar (erotisch höchst raffiniert), und dann geht es zu dritt ab in Sachen Amour. Alles dabei: Bisschen Kiffen, bisschen Sex, und die Mao-Büste lächelt dazu. Am Ende finden sich die Drei mit den revoltierenden Studenten auf der Straße wieder, warum wissen weder sie selbst noch die Zuschauer. Es spielen Michael Pitt, Louis Garrel und Eva Green. "Extrem persönlich" sei der Streifen, meint Bertolucci, der am Montag am Stock zur Pressekonferenz hinkt. Seine Fangemeinde nickt. "Ich fürchte, dass der Film amputiert in die US-Kinos kommt", wegen der Sexszenen. Was auffällt in Venedig: Hauptrollen spielen häufig Frauen. Etwa in "Rosenstraße" von Margarethe von Trotta, der Film über den Widerstand von Frauen in der Nazizeit, den deutsche Kritiker gerne kritisieren, der am Lido ansonsten gut ankommt. "Ergreifende und klassische Reise in die Vergangenheit", schreibt eine italienische Zeitung. James Ivory, der große Literaturverfilmer, lässt in "Le Divorce" zwei amerikanische Schwestern (Kate Hudson, Naomi Watts) Liebesabenteur in Paris bestehen. Diesmal ohne literarische Vorlage, vielleicht der Grund, dass der Streifen nicht selten ins Klischee abrutscht. Meint Ivory: "Amerikanerinnen sind immer gehetzt, Französinnen sind viel entspannter und eleganter." Ähnlich tiefgründig ist der Film. Frauen spielen auch die Hauptrollen in "Un Filme falado" vom portugiesischen Altmeister Manoel de Oliveira (94), mit Leonor Silveira, Catherine Deneuve und John Malkovich. Und auch das nicht sonderlich überzeugend, trotz des großen Beifalls bei der offiziellen Gala. "Wenn ein anderer außer Oliveira einen solchen Film machen würde, würde man ihm Langeweile vorwerfen", meint ein Kritiker. Eine Professorin macht mit der Tochter eine Schiffsreise, und in Pompeji, Athen oder Kairo hält sie der Tochter langatmigen Geschichtsunterricht. Am Ende sterben sie auf dem Schiff. Düster das Ende, düster auch die Weltsicht des alten Regisseurs: "Wir sind am Ende der Kultur angelangt, die Welt wird von Kriegen zerstört."