Fazit nach Vierschanzentournee Das Abschneiden der deutschen Skispringer ist alarmierend

Meinung | Düsseldorf · So schlecht wie in diesem Jahr war das deutsche Team bei der Vierschanzentournee schon lange nicht mehr. Trainer und Springer wirken ratlos. Das ist besorgniserregender als die enttäuschenden Ergebnisse.

Debakel, Enttäuschung, Frustration – so lässt sich die Vierschanzentournee 2022/23 für das deutsche Team zusammenfassen. Jahr für Jahr treten die DSV-Springer an, um endlich wieder den prestigeträchtigen Gesamtsieg ins eigene Land zu holen. Dass es seit 21 Jahren nicht klappt, sind Fans und Athleten schon gewohnt. Egal wie favorisiert deutsche Skispringer waren, bei der Tournee sollte es am Ende nicht zum Triumph reichen. Umso größer ist die Sehnsucht.

Aber während Karl Geiger, Markus Eisenbichler, Andreas Wellinger oder Severin Freund in den vergangenen sieben Jahren oft nur knapp oder mit Pech scheiterten, ist die Tournee in diesem Winter ein herber Rückschlag für die Mannschaft von Bundestrainer Stefan Horngacher.

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Nicht nur, weil Mitfavorit Geiger in Innsbruck sogar die Qualifikation für das Springen verpasste und alle Chancen auf einen erneuten Podestplatz früh begraben musste. Das deutsche Team lässt insgesamt Konstanz und Topleistungen vermissen. Und so schaffte es keiner aus den Reihen des DSV in der Gesamtwertung unter die Top Ten. Das gab es zuletzt vor zwölf Jahren.

Der Bundestrainer glaubte vor dem ersten Springen in Oberstdorf noch das beste Team seit Jahren zu haben, sah sich nach dem ersten Wettkampf bestätigt, redete die Leistungen dann erst schön und wirkte am Ende ratlos, auch wenn er beteuert, dies nicht zu sein. Das sollte die Alarmglocken beim Deutschen Skiverband lauter schrillen lassen als die enttäuschenden Ergebnisse.

Denn der Saisonstart hatte bereits angedeutet, dass die Deutschen diesmal nicht zu den Topfavoriten gehören würden. Keiner der DSV-Springer war in der Lage, regelmäßig und selbstverständlich um den Sieg zu springen. Es gab bei Karl Geiger und Pius Paschke zwar Fortschritte. Andreas Wellinger und Constantin Schmid hatten einige gute Sprünge. Die Hoffnungen, bis zum ersten Saisonhöhepunkt sei man konkurrenzfähig, zerschlugen sich aber.

Einzig Philipp Raimund ist aktuell ein Lichtblick. Aus der zweiten Reihe zur Tournee ins Team gestoßen, springt er unbekümmert zu guten Platzierungen.

Was den übrigen deutschen Springern zum Erfolg fehlt, scheint hingegen keiner so richtig zu wissen. Selbstvertrauen, das war offensichtlich. Das Material ist ein Thema, bei dem einen zudem die Sprungtechnik, bei anderen kleine Fehler in den Abläufen. Offenbar insgesamt zu viele Faktoren, um sie während der laufenden Vierschanzentournee zu beheben, auch wenn nach jedem Wettkampf analysiert wird, was optimiert werden muss. Nur umsetzen lässt sich das eben nicht immer ad hoc. Skispringen hat viel mit Gefühl, Sicherheit und Psyche zu tun. Eine kleine unbewusste Veränderung kann das ganze Flugsystem verändern und große Auswirkungen haben - positive wie negative. Ein anderer Anzug, Schuh oder Ski, eine andere Position im Anlauf kann das eine fehlende Puzzleteil sein, das einen guten Sprung zu einem überragenden macht. Oder eben zu einem Fehlversuch. Im deutschen Team fehlt vielen dieses Puzzleteil gerade.

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Solche Situationen gibt es im Sport immer wieder. Vor allem, wenn nach einer olympischen Saison im Sommer an verschiedenen Stellen getüftelt wird, um die Athleten noch besser zu machen. Nicht immer funktioniert das und bringt dann erst mal Rückschläge mit sich.

Dass sich andere Nationen einen Materialvorteil erarbeiten, ist ärgerlich, passiert aber. Und wie auch in diesem Winter ist es oft schwer nachzuvollziehen, was andere besser machen und ob sie Grauzonen im Reglement mehr ausreizen. Da sind dann die Materialtüftler und Experten gefragt, die auch die deutsche Mannschaft hat.

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Denn um den Anschluss nicht zu verlieren, müssen die allesamt schon erfahrenen deutschen Skispringer und ihre Trainer an allen Faktoren arbeiten und schnell herausfinden, ob sie bei Sprunganzug und Material Nachholbedarf haben und wie sie wieder Konstanz in die Sprünge bekommen. Sonst erleben sie bei der WM Ende Februar die nächste Enttäuschung.

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