Vierschanzentournee Stoch fliegt Schmerzen davon und bringt Malysz zum Weinen

Bischofshofen · Kamil Stoch ist der verdiente Sieger einer packenden 65. Vierschanzentournee, die Polen am Ende klar dominierte. Die Erben von Adam Malysz sind auf dem Weg zur Skisprung-Supermacht.

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Foto: dpa/Daniel Karmann

Das skisprungverrückte Polen feiert König Kamil, den großen Triumphator der Vierschanzentournee 2017 ließ das aber ziemlich unbeeindruckt. "Was jetzt in meiner Heimat los ist? Ich nehme an, es schneit und ist kalt - so wir hier", sagte Kamil Stoch und grinste schelmisch.

Kurz zuvor hatte der 29-Jährige im Eisschrank von Bischofshofen sein Meisterstück abgeliefert, den letzten Wettbewerb und damit auf der Zielgeraden die ganze Tournee gewonnen. Nach zwei Jahren der Krise, mit angeknackstem Schlüsselbein und schmerzendem Knie. Für Stoch ist die Bezeichnung Teufelskerl noch eine Untertreibung.

"Der Moment ist wunderschön. Für mich, für das ganze Team", sagte der Doppel-Olympiasieger von 2014, der am Mittwoch im Probedurchgang von Innsbruck böse gestürzt war, sich durch den Wettbewerb am Bergisel gequält, in Bischofshofen dann auch noch bei einem weiten Flug die Knie zusammengestaucht hatte. Bei der Siegerehrung konnte Stoch kaum den Goldadler stemmen, so sehr schmerzte der Körper.

"Ich habe vor Freude geweint. Von diesem Ergebnis konnten wir nur träumen", sagte Adam Malysz. Polens Tourneesieger von 2000/01 war lange Zeit größter Skisprungheld seines Landes. Dann zog Stoch mit dem WM-Titel 2013 und dem Olympia-Doppelpack 2014 gleich. Und jetzt? Hat die Nachfolge-Generation den einst auf einsamer Flur stehenden Malysz überholt.

Da war ja nicht nur Stoch, der diese Tournee mit dem Norweger Daniel Andre Tande und dem Österreicher Stefan Kraft beherrschte, ehe diese einbrachen. Ersterer, weil im entscheidenden Moment, dem letzten Tourneesprung, die Bindung versagte - "das kann passieren, so ist es eben", meinte Tande, Sieger von Garmisch und Innsbruck, der einen Sturz knapp vermied und sich mit Platz drei tröstete. Letzteter, der auf Platz sechs durchgereichte Oberstdorf-Sieger Kraft, weil er durch Magen-Darm-Probleme die Fitness, dann in Innsbruck das Wind-Glück, schließlich in Bischofshofen völlig die Linie verlor.

Vierschanzentournee 16/17: Materialfehler stoppt Daniel Andre Tande
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Materialfehler stoppt Norweger Tande

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Foto: afp, GI

Nein, neben Stoch war da Piotr Zyla, der als Zweiter die Überraschung dieser Tournee war. "Platz zehn - das habe ich mir zugetraut. Aber Platz zwei - nie im Leben", meinte er. Und Maciej Kot, dessen Siegesszug bei den Sommerspringen kein Zufallsprodukt war, wovon nun Rang vier zeugte. Erster, Zweiter, Vierter - da schien selbst der gestrenge polnische Wappenadler zu grinsen.

Dabei waren die Polen im Vorjahr zweitklassig. Stoch, ein Schatten seiner selbst, stand sinnbildlich für das ganze Team. Dann eisten sie den Österreicher Stefan Horngacher vom Deutschen Skiverband (DSV) los, machten den Assistenten von Bundestrainer Werner Schuster zum Chefcoach - der Kufsteiner mit dem grimmigen Antlitz schaffte binnen Rekordzeit Sensationelles.

"Stefan ist einer der besten Trainer, die es gibt", sagte Stoch. Und Schuster, der beide bestens kennt, den "Steff" freilich besser als den Stoch, erzählte am Abend nach dem Finale noch eine Geschichte.

"2005 bei der Junioren-WM in Rovaniemi war ich als österreichischer Junioren-Trainer, Stefan als polnischer. Da hat Kamil den sicher geglaubten Titel vergeigt, indem er beim Telemark umgefallen ist. Da hat Steff die Fahne weggeschmissen", erinnerte sich Schuster.

Knapp zwölf Jahre später, an diesem bitterkalten Abend in Bischofshofen, flogen keine Stoffstücke. Beide, der Stoch und der Steff, wollten sich nur noch voreinander verneigen.

(sid)
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