Interview zur Vierschanzentournee Simon Ammann: "Mein Ziel ist der Tourneesieg"

Oberstdorf (RP). Simon Ammann, Doppel-Olympiasieger von 2002 und Favorit der Vierschanzentournee, spricht im großen Interview mit unserer Redaktion über Aussichten und die Entwicklung von Martin Schmitt.

 Simon Ammann bei der Arbeit - der Weg nach oben ist weit.

Simon Ammann bei der Arbeit - der Weg nach oben ist weit.

Foto: ddp, ddp

Herr Ammann, Sie führen nach vier Siegen in sieben Springen im Weltcup und gehen als Topfavorit in die Vierschanzentournee. Wie erklären Sie diesen Erfolg?

Ammann Ich muss das gar nicht komplett einordnen. Man sollte auch nicht immer alles hinterfragen. Ein Grund für den Erfolg ist sicher ein optimales Timing des Sommertrainings. Es hat mich selbst überrascht, dass alles gepasst hat. Ich wollte zum Österreicher Gregor Schlierenzauer aufschließen.

Wird die Tournee zu einem Duell zwischen Schlierenzauer und Ihnen?

Ammann Ja, das kann ich mir gut vorstellen, auch wenn ich mit einigen Überraschungen rechne. Ich unterschätze sicher niemanden. Es ist wichtig, dass ich — im übertragenen Sinne — nicht abhebe. Ich bin in sehr guter Verfassung. Und es müsste mir schon einiges in die Quere kommen, damit ich die verliere. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich das erreichen kann, was ich mir als Ziel gesetzt habe. Und das ist der Tourneesieg.

Wo sehen Sie die besonderen Herausforderungen der Tournee?

Ammann: Es spricht für mich, dass wir nicht jeden Tag einen Wettkampf haben. Angesichts des Medienechos ist es gut, wenn man mal einen Tag hat, um den Rummel zu verarbeiten. Jetzt habe ich nicht ein Wochenende, an dem es Schlag auf Schlag geht, sondern immer wieder Zeit zum Verschnaufen.

Können Sie sich vorstellen, deshalb mal eine Qualifikation auszulassen? Als Top-Ten-Springer sind Sie ja nicht zum Start verpflichtet.

Ammann: Ja, das ist sicher eine Möglichkeit. Es gibt einige taktische Spielchen, die man machen kann. Es wäre mein Wunsch zu taktieren. Aber wir müssen erst einmal sehen, wie das erste Springen hier in Oberstdorf verläuft. Ich würde die Konkurrenz auch gern mal im Probedurchgang unter Druck setzen. Bei Gregor Schlierenzauer ist das freilich schwierig. Er kann immer aufdrehen.

Das Wetter meint es gut mit Ihnen.

Ammann: Bei gutem Wetter spielt der Zufall nur eine geringe Rolle. Das könnte mir zu Gute kommen.

Ihre Fokussierung auf den Wettkampf wird gelobt. Arbeiten Sie mit einem Mentaltrainer zusammen?

Ammann Wir haben einen Psychologen hier vor Ort. Die Zusammenarbeit richtet sich aber nicht speziell hier auf die Tournee, sie ist langfristig angelegt. Er ist eine der Stützen unseres Teams. Ich profitiere im Moment davon, dass das Verhältnis zwischen Anspannung und Erholung stimmt. Gerade über Weihnachten hat das sehr gut funktioniert.

Ihre Entwicklung überrascht auch, weil Sie in Werner Schuster den Trainer verloren haben, mit dem Sie sehr erfolgreich waren.

Ammann Es war sehr überraschend für mich, als er mit dem Ansinnen zu uns kam, uns nach einem Jahr schon wieder zu verlassen und Bundestrainer in Deutschland zu werden. Wir haben das Thema aber von Beginn an offen besprochen, weil wir ein freundschaftliches Verhältnis zueinander aufgebaut hatten. Der ganze Prozess war sehr transparent. Ich habe seine Argumente akzeptiert. Er wollte die große Herausforderung in Deutschland annehmen. Werner Schuster hat zu Andreas Küttel und mir immer gesagt, dass wir auch allein klar kommen. Und damit hat er Recht gehabt. Er wird der deutschen Mannschaft sicher einiges bringen.

Was schätzen Sie an ihm?

Ammann Er hat sicher mit das fundierteste Wissen über Skispringen, das überhaupt jemand hat. Ihm gelingt es, die Athleten genau auf dem Level abzuholen, auf dem sie stehen.

Dennoch: alltäglich ist es nicht, dass ein Trainerwechsel ohne Reibungsverluste vonstatten geht.

Ammann: Nach dem Abschied von Werner Schuster haben wir in Martin Künzle von einem auf den anderen Tag einen neuen Trainer gefunden. Das war entscheidend. Es hilft mir, dass er in meinem Nachbardorf aufgewachsen ist. Wir sprechen den selben Dialekt.

Wie bewerten Sie Martin Schmitts Entwicklung? Sie haben wie er lange Durststrecken überstehen müssen.

Ammann Die harten Jahre prägen einen. Man sucht lange nach den Puzzleteilen, die einem fehlen. Auf mich macht Martin an der Schanze jetzt einen ganz anderen Eindruck. So fröhlich wie zuletzt in Pragelat habe ich ihn selten gesehen. Er macht seine Sache wirklich gut. Und das gönne ich jedem Springer, der so lange durchgehalten hat.

Waren für Sie die Schwächephasen notwendig, um wieder so erfolgreich zu werden?

Ammann Nein, nein, notwendig waren die bestimmt nicht. Ich bin mit Leib und Seele Skispringer und musste erst das eine oder andere herauskriegen, was ich ändern musste. Auch in den schwächeren Jahren hatte ich immer wieder das eine oder andere Highlight. Solche Höhepunkte braucht man, um sich zurück zu kämpfen. So war das ja auch bei Martin Schmitt.

Machen sich bei Ihnen Verschleisserscheinungen bemerkbar?

Ammann: Ich bin ja noch jung, auch wenn ich bei den Skispringern einer der Erfahrenen bin. Ich fühle mich sehr frisch.

Sie waren Olympiasieger und Weltmeister, fehlt ein Tourneesieg zur Abrundung der Karriere?

Ammann Es gibt verschiedene Typen im Skisprung-Zirkus. Janne Ahonen etwa hat fünfmal die Vierschanzentournee, aber nie eine Goldmedaille gewonnen. Ich freue mich, dass ich auf meine Art das Schweizer Skispringen voranbringen konnte.

Martin Beils sprach mit Simon Ammann (27).

(RP)
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